Fragwürdige Polizeidateien

Frankreichs Bürger werden »durchsichtiger«

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die französische Datenschutzkommission CNIL ist mit einem alarmierenden Bericht über die Personendatenbanken der Polizei an die Öffentlichkeit getreten.

Die »Commission nationale de l’information et des libertés« (CNIL), ein seit 1978 bestehendes unabhängiges Gremium aus Parlamentariern, Vertretern des Staates und anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ist per Gesetz mit weit reichenden Befugnissen ausgestattet. Sie soll die Rechtmäßigkeit von Informationssammlungen und Datenbanken jeder Art und vor allem die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte prüfen. Zwischen Juni und November 2008 hat die CNIL die größte Datenbank der Polizei STIC (Système de traitement des infractions constatés) untersucht, in der zur Zeit 36,4 Millionen Straftaten und die entsprechenden Untersuchungsverfahren, 5,5 Millionen Verdächtige und 28,3 Millionen Opfer verzeichnet sind.

Die Kommission verschickte Fragebögen an 34 Regionalgerichte und wertete sie aus. Außerdem nahm die CNIL stichprobenartig Polizeireviere, Gerichte und Präfekturen unter die Lupe. Überall wurden erhebliche Diskrepanzen zwischen den Akten und den entsprechenden Einträgen in der Polizeidatenbank STIC festgestellt. Laut Untersuchungsbericht sind nur 17 Prozent der Angaben in der Datenbank hundertprozentig korrekt. Die gravierendsten Mängel betreffen den Status von Untersuchungs- oder Gerichtsverfahren. So waren nur 21,5 Prozent der von der Polizei wegen Mangels an Beweisen eingestellten Fälle wirklich gelöscht. Ebenso nur 31,17 Prozent der Gerichtsverfahren, die mit einem Freispruch des Angeklagten geendet hatten. Zwar werden pro Monat landesweit etwa 15 000 Namen aus der Datenbank getilgt, aber die Zahl der zu Unrecht registrierten Personen dürfte höher sein.

Besorgnis erregt das, weil die Datenbank stets konsultiert wird, wenn jemand Beamter oder Berufssoldat werden will, als Ausländer die Einbürgerung beantragt oder sich um einen »sicherheitsrelevanten« Arbeitsplatz bewirbt, für den eine polizeiliche »Unbedenklichkeitsbescheinigung« gefordert wird. Oft kommt dann eine Ablehnung, ohne dass der Betreffende Gründe erfährt. Also kann er auch keine Richtigstellung verlangen und notfalls über die Justiz durchsetzen. Damit werden elementare Persönlichkeitsrechte angetastet, kritisiert die CNIL und fordert von Innen- und Justizministerium schnellstmöglich Abhilfe. Schließlich haben ständig mehr als 100 000 Polizeiangehörige Zugriff auf die Datenbank STIC, die jährlich rund 20 Millionen Mal konsultiert wird.

Besorgt ist die Datenschutzkommission auch über die steigende Zahl diverser Personendatenbanken, die von Polizei und Gendarmerie geführt werden. Ein im Auftrag des Innenministeriums erstellter Bericht stellt fest, dass es 2006 noch 34 solcher Datenbanken gab, heute sind es schon 44. Allein in die Datenbank der genetischen DNA-Profile werden monatlich 25 000 neue Personen aufgenommen, so dass darin heute schon mehr als eine Million registriert sind. Kritik üben die Datenschützer auch daran, dass in etlichen Datenbanken Personenbeschreibungen mit fragwürdigen Hinweisen auf Herkunft und Hautfarbe oder auf Gesundheit und sexuelle Neigungen zu finden sind. Außerdem seien zu viele Datenbanken der demokratischen Kontrolle entzogen, weil sie als »Geheim im Interesse der Nationalen Sicherheit« eingestuft wurden. Die Datenschutzkommission fordert, dass solche Dateien zumindest regelmäßig durch ein Richtergremium kontrolliert werden müssten.

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