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Wanderer zwischen politischen Welten

Ein Leipziger Ex-Genosse der LINKEN hat offenbar eine schillernde rechte Vergangenheit

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Verwirrspiel um persönliche und politische Identitäten: Ein Ex-Genosse, der in der Leipziger LINKEN im Sommer als V-Mann verdächtigt wurde, soll jahrelang am äußersten rechten politischen Rand aktiv gewesen sein.

Im Oktober 1999 suchte die extreme Rechte bei den Kommunalwahlen in Stuttgart den Schulterschluss: Die NPD und eine Splitterpartei namens »Vereinigte Rechte« (VR) vereinbarten ein Wahlbündnis. Spitzenkandidaten der Truppe, die im Programm etwa die »Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern« forderte, waren der Landessprecher der NPD sowie ein gewisser Mario H. Meurer. Der war Bundesvorsitzender der VR – und konnte schon damals eine sehr bunte politische Vita vorweisen: Der 1963 in Brandenburg geborene studierte Theologe trat 1992 für die Republikaner, später für die »Christliche Mitte« an. Auch der Deutschen Freiheits- und Arbeiterpartei hatte er angehört und war für sie in Stuttgart zur OB-Wahl angetreten. Deren Mitbegründer war Martin Pape, früherer Chef der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP).

Dieser einstige VR-Bundesvorsitzende ist offenbar identisch mit dem Leipziger Linkspolitiker Maximilian Meurer, der einst Landessprecher der WASG Sachsen und Sprecher der Leipziger Gruppe »Arbeit und soziale Gerechtigkeit« war. In der Stadtpartei hatte er mit Forderungen etwa nach 150 Euro Weihnachtsgeld für Hartz-IV-Empfänger für harte Kontroversen und monatelange Querelen im Stadtvorstand gesorgt. Im Sommer 2008 war er Gegenstand einer dubiosen Affäre: Intern war gegen ihn der Verdacht erhoben worden, als V-Mann des Verfassungsschutzes gearbeitet zu haben, was Meurer vehement bestreitet. Sachsens Innenministerium erklärte auf Anfrage der LINKEN, für das Landesamt sei »Genosse M.« nicht tätig gewesen. In Medienberichten hieß es später, der Genosse sei »politisch getötet« worden.

Zur Leipziger LINKEN war Meurer über viele Zwischenstationen gekommen. So berichtete er, noch als Mario Meurer, im Januar 2003 in der PDS-Zeitschrift »Disput« über den Parteiaufbau in Aschaffenburg. Im Jahr darauf gründete er in Arnsberg im Sauerland ein Sozialforum und organisierte Montagsdemos gegen Hartz IV. Aktiv war er auch in DKP und WASG, wie meist in seinen Karrieren als Sprecher oder an anderweitig exponierter Stelle. 2006 beantragte er in Leipzig die Aufnahme in die KPD – und gab als Geburtsort Basel an sowie sich als Doktor aus. Wegen des unrechtmäßigen Führens eines Doktortitels soll er am Amtsgericht Arnsberg verurteilt worden sein, wie aus einem ND vorliegenden Schreiben seines Anwalts hervorgeht.

Meurer klärt die Verwirrung um abweichende Namen und Identitäten unter Verweis auf seine dieser Zeitung vorliegende Geburtsurkunde: Diese nennt die drei Vornamen Maximilian Mario Hans. Er bestreitet aber energisch eine führende Rolle in der rechten Szene: Er sei »zu keinem Zeitpunkt Bundesvorsitzender einer rechten Partei« gewesen und bei Wahlen »für keine rechte Partei angetreten«, sagte er ND. Der Aussage widersprechen indes Dokumente, die dieser Zeitung ebenfalls vorliegen. So ist etwa im Antifaschistischen Info-Blatt 47 / 1999 der VR-Bundeschef abgebildet. Es handle sich dabei »ohne Zweifel« um den Leipziger Ex-Genossen, sagt Rico Gebhardt, Landesgeschäftsführer der LINKEN Sachsen: »Das kann kein Zufall mehr sein.« Auch die Angaben zu Geburtsort und -datum im Wahlauftritt der VR von 1999 stimmen mit den von Meurer jetzt zur Verfügung gestellten Urkunden überein. Eine rechte Partei war die VR zweifellos: Auch wenn Militante dort keine Rolle spielten, attestierte das Stuttgarter Innenministerium in einer parlamentarischen Antwort von 2002 der zwischenzeitlich aufgelösten Vereinigung »völkisch-kollektivistische, fremdenfeindliche (und) revisionistische« Ziele.

In der Leipziger LINKEN, nicht zuletzt bei seinen Mitstreitern, sorgt Meurers Vorleben für große Verblüffung und Erschrecken. Dort hatten zunächst die Ereignisse um den V-Mann-Vorwurf für Verärgerung und Rücktritte gesorgt. Der Vorwurf freilich wird von Meurer weiterhin energisch bestritten. Einer Darstellung früherer Genossen aus Arnsberg, er habe sein dort bekanntes Engagement in der rechten Szene mit der Anbindung an den Geheimdienst begründet, weist er strikt zurück: »Das ist Blödsinn«, sagt er dem ND.

Meurer sieht sich angesichts der jüngsten Vorhaltungen als Opfer einer von der Partei und ehemaligen MfS-Offizieren gelenkten »Diffamierungskampagne«. Er betont, 1988 in der DDR inhaftiert und ein Jahr später von der Bundesregierung freigekauft worden zu sein; heute bezieht er eine Opferrente. Auf Stasi-Methoden hatte sich freilich schon der einstige VR-Vorsitzende berufen, als 1997 sein Büro und die Wohnung durchsucht wurden. Die LINKE hat Meurer inzwischen verlassen. Als »ehemaliger Landessprecher WASG« unterstützte er zuletzt den Wahlaufruf »Wir lassen uns nicht linken«, mit dem in Hessen zur Nichtwahl der Partei aufgerufen wurde.

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