Eine starke und loyale Frau

Stauffenbergs Tochter Konstanze über ihre Mutter Nina

  • Lesedauer: 6 Min.
Konstanze von Schulthess-Rechberg, die jüngste Stauffenberg-Tochter, sah »Operation Walküre« bereits vor dessen Premiere. Olaf Neumann sprach mit ihr über den Hollywoodfilm sowie über ihre Eltern.

Seit den 50er Jahren hat es diverse Spielfilme über das Attentat vom 20. Juli 1944 und Stauffenberg gegeben. War Ihr Vater-Bild anfangs durch diese geprägt?
Schulthess-Rechberg: Nein, das habe ich über meine Mutter, meine Großmutter und meine Geschwister bekommen.

Welchen Einfluss hat Ihre Familie auf Verfilmungen?
Jo Baier, der 2004 einen Film über meinen Vater drehte, hat uns nicht kontaktiert. Meine Mutter bekam aber schon in den 50er Jahren verschiedene Drehbücher zugeschickt. Zum Skript von »Operation Walküre« haben einige Familienangehörige Beurteilungen abgegeben. Zu großen Teilen wurde darauf eingegangen. Die Hollywood-Leute waren sehr offen.

Ihr Sohn Philipp von Schulthess spielt in »Operation Walküre« den Adjudanten des Mitverschwörers Henning von Tresckow. Wie ist es dazu gekommen?
Er ist den ganz normalen Weg gegangen und hat sich als Schauspieler beim Casting gemeldet.

Wie finden Sie den Film?
Im Großen und Ganzen war ich positiv überrascht. Man darf nicht vergessen, es ist ein Spielfilm und keine Dokumentation. Mit den Charakteren wurde fair und respektvoll umgegangen.

Ihrem Bruder, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, gefällt es nicht, dass ein bekennender Scientologe Ihren Vater spielt.
Ich kann seine Bedenken verstehen. Auf der anderen Seite muss man das voneinander trennen.

Sie haben jetzt ein Buch über Ihre Mutter Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg geschrieben.
Ich wollte klarmachen, dass sie eine sehr starke und tapfere Frau war und eben nicht – wie immer wieder vermittelt wurde – von nichts eine Ahnung hatte. Sie war sehr wohl informiert und wusste genau, was passierte. Zwar nicht darüber, dass mein Vater das Attentat selbst durchführen würde, aber dass er an Umsturzplänen aktiv mitgearbeitet hat. Sie wusste auch von vielen anderen, die dabei mitgemacht haben. Meine Mutter hat mit meinem Vater alles besprochen und war mit seinen Plänen auch einverstanden. Sie war nicht die kleine dumme Hausfrau, die von den Ereignissen überrollt worden ist.

Ihre Mutter fühlte sich zuweilen falsch dargestellt.
Sie sagte einmal, ihr selbst sei es ja nicht so wichtig, aber sie fand es auch gegenüber den Frauen der anderen Widerstandskämpfer nicht in Ordnung. Diese Männer brauchten das Einverständnis ihrer starken Frauen, um ein ungeheures Vorhaben wie das Attentat auf Hitler überhaupt durchführen zu können. Das wollte ich mit meinem Buch unter anderem klar machen. Viele dieser Frauen leben nicht mehr. Aber Freya Moltke hat mir geschrieben und zu dem Buch gratuliert.

Hat Ihre Mutter nie versucht, Ihren Vater von seinem Vorhaben abzuhalten?
Ganz am Anfang hatte sie natürlich schon ihre Bedenken. Als sie aber merkte, wie wichtig es für ihn und wie wichtig es überhaupt war, hat sie schließlich zugestimmt. In dem Moment war ihr vollkommen klar, dass es sein muss. Sie hat ihm den Rücken frei gehalten. Sie sagte immer, sie wollte für ihn kein Bremsklotz sein. Ihre Stärke war, loyal auf seiner Seite zu stehen.

Zum Zeitpunkt des Attentats war Ihre Mutter mit Ihnen schwanger. Wer ohne Hoffnung ist, plant keine Kinder …
Man hat damals Kinder nicht so geplant wie heute. Man hat sie einfach gekriegt. Aber ich war sicher kein Unfall. Ich vermute, da ist auch Zweckoptimismus mit im Spiel gewesen. Mein Vater ist davon ausgegangen, dass solch ein Attentat gelingen kann. Er sagte, die Chancen stünden 50 zu 50.

Nach dem misslungenen Attentat kam Ihre Mutter ins Gefängnis Alexanderplatz; ihre vier Geschwister wurden in ein Kinderheim verschleppt. Wie hat Ihre Mutter als Wöchnerin die schwere Isolationshaft und später das KZ Ravensbrück überstanden?
Nach fünf Monaten in Einzelhaft wurde sie zum Gebären unter dem falschen Namen Schank ins Krankenhaus Frankfurt/Oder gebracht. Wegen Überfüllung erhielt sie ein Zimmer erster Klasse. Dort entzündete sich ihre Gebärmutter aufgrund der schlechten Hygiene. In dem Zustand kam sie anschließend in das Josefskrankenhaus in Potsdam, wo ich dann sehr schwer erkrankte. Meine Mutter hat mich sogar notgetauft. Jeden Tag erhielt sie Besuch von der Gestapo und der behandelnde Arzt bekam schnell heraus, wer sie wirklich war. Er versuchte, sie möglichst lange dort zu behalten. Am 12. April 1945 wurde sie schließlich abgeholt, um in ein anderes KZ gebracht zu werden. Es wurde jedoch zu einer Irrfahrt, weil viele Züge nicht mehr fuhren. Am Ende strandete sie in der Nähe von Hof, wo die Familie schließlich wieder zusammenfand. Sie betonte immer, wie groß die Güte wildfremder Menschen war, die sie zum Teil erfahren durfte.

Die gesamte Familie war in verschiedenen KZ.
Ja. Meine Großmutter mütterlicherseits ist im KZ an Ruhr und Typhus gestorben. Manche behaupten, man wollte unsere Familie als Geisel am Leben halten.

Warum haben Sie Ihr Buch erst jetzt geschrieben?
Vielleicht wäre es mir viel schwerer gefallen, als meine Mutter noch lebte. Noch im Sterben war sie stark und vorbildlich. Als dann die Beerdigung vorbei war, begann ich zu reflektieren. Das drängte sich einfach auf, ob ich wollte oder nicht. Und meine Kinder ermutigten mich, es zu tun. Ich habe das Buch dann als Möglichkeit gesehen, einmal ein paar Dinge ins rechte Licht zu rücken.

Was haben Sie noch aus dem Nachlass Ihres Vaters?
Es sind nur wenige persönliche Dinge erhalten: ein paar Briefe, sein Cello und sein Ehrensäbel. Der ist zuerst über sowjetische Soldaten in die DDR gelangt und dann Ende der 90er auf ziemlich merkwürdige Weise wieder aufgetaucht. Die meisten Sachen haben wir den Museen als Leihgabe zur Verfügung gestellt.

Kann man einen Vater, den man nie kennen gelernt hat, vermissen?
Nein. Aber er war trotzdem immer auf eine positive Art präsent. Ich meine das nicht kitschig, es gab bei uns keinen Altar.

Was haben Sie für ein Bild von Ihrem Vater?
Ich sehe ihn so, wie ihn alle sehen: als fabelhaft aussehenden Mann mit ansteckendem Lachen. Ansonsten habe ich viele kleine Geschichten, die mir meine Mutter und Kinderschwester erzählten. Die sind aber privater Natur.

Hingerichtet wurde Ihr Vater im Bendler-Block. Gibt es einen Ort, an dem Sie seiner gedenken?
Für mich ist der Bendler-Block ein grausiger Ort, ebenso die Gedenkstätte Plötzensee. Ich brauche keinen Friedhof. Viel wichtiger ist für mich eine Fotografie oder ein persönlicher Gegenstand.

Konstanze von Schulthess-Rechberg: Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg (Pendo, 19,90 EUR).

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