nd-aktuell.de / 22.01.2009 / Brandenburg / Seite 17

Staat bezahlt Lohndrückerei

700 Millionen Euro für regionale Aufstocker

(ND-Herrmann). Immer mehr Beschäftigte in Berlin und Brandenburg verdienen so wenig, dass sie ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen, informierte gestern der DGB. Mitte 2008 seien davon 184 667 Beschäftigte betroffen gewesen, davon 111 725 in Berlin und 72 942 in Brandenburg.

Die Lohndrückerei von Unternehmen gleiche der Staat mit Steuergeldern aus, hieß es in einer Mitteilung des Gewerkschaftsbundes. Berlin und Brandenburg müssten rund 700 Millionen Euro jährlich aufwenden, damit Beschäftigten die Existenz gesichert werde. 55 232 Arbeitskräfte (30 944 in Berlin und 24 288 in Brandenburg) gingen in der Region einer Vollzeitbeschäftigung nach, ohne davon leben zu können. »Sie waren arm trotz Erwerbstätigkeit«, so DGB-Vize Doro Zinke.

Auch 35 239 Teilzeitkräfte mit sozialversichertem Job (Berlin 23 075, Brandenburg 12 164), die mehr als 400 Euro im Monat verdienten, zahlten Beiträge, ohne von ihrer Arbeit leben zu können. »Insgesamt muss der Staat die Armutslöhne in Berlin-Brandenburg monatlich mit mehr als 58 Millionen Euro subventionieren, also 696 Millionen im Jahr, das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal«, sagte Zinke.

Der Staat subventioniere insbesondere einzelne Branchen mit hohem »Verarmungsrisiko«. Vollzeitbeschäftigte Hartz IV-Empfänger und damit auch die Hartz IV-Leistungen für Erwerbstätige konzentrieren sich nach Erkenntnissen des DGB auf die Leiharbeitsbranche, das Gastgewerbe sowie das Verkehrsgewerbe.

Die Zunahme dieser erwerbstätigen Aufstocker im vergangenen Aufschwung belege, dass einige Unternehmen die Löhne drücken würden, weil es Hartz IV als Zuzahlung gebe. Der Druck, jede Arbeit annehmen zu müssen, fördere Lohndumping, kritisierte Zinke: »In Deutschland haben wir deshalb einen der größten Niedriglohnsektoren in der EU, ein Armutszeugnis für unser reiches Land.«

Der DGB erneuerte die Forderung nach einem Lohn von mindestens 7,50 Euro pro Stunde als »unterste Haltelinie gegen Lohndumping«. Mindestlohn hätte auch in anderen EU-Ländern keine Jobs vernichtet. Wenn die Beschäftigten ordentlich bezahlt würden, so das Argument, könnten sie sich mehr leisten und stützten die Konjunktur.