Amis foltern, deutsche Ermittler schauen weg

Bundesanwaltschaft und BKA ignorieren mutmaßliche Verbrechen in Mannheimer Folterknast

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die gestrige Sitzung des sogenannten BND-Untersuchungsausschusses kündigte sich nicht besonders spannend an. Es wurden »restliche« Zeugen zur US-Entführungspraxis geladen. Was sie vorbrachten, entwickelte sich zu einem Albtraum in Sachen Rechtsstaat Deutschland.

Herfried Rebok, ein untersetzter, etwas kuglig erscheinender Witwer, wird im kommenden Monat 73 Jahre alt. Einst hat er als Werkmeister in einer Mannheimer Apparatebaufirma gearbeitet und auch mal, wie er bekannte, dummerweise für die REPs kandidiert. Er wohnt unweit der »Coleman Barracks«, einer Mannheimer US-Kaserne. Auf seiner täglichen Tour mit dem Hund sah er im Frühsommer 2002 etwas, das ihn wütend machte. »Nie hätte ich gedacht, dass man heute noch so Menschen quälen kann.«

Hinter dem Maschendrahtzaun, der den Zentralen US-Militärknast in Europa von einem öffentlichen Weg trennt, führten schwer bewaffnete US-Soldaten drei Gefangene in orangefarbenen Overalls vorbei. Die Hände der drei, die Rebok recht genau beschreiben konnte, waren auf dem Rücken gefesselt. Mit Ketten waren ihre Fußpaare verbunden, sie ließen nur kleine Schritte zu. Der Zeuge ist sicher, dass es sich nicht um gefangene US-Militärs handelte und meldete seine Beobachtungen dem »Mannheimer Morgen« und einem ihm bekannten Bundestagsabgeordneten. Nichts geschah. Nachbarn, die wie er des Nachts Schreie aus dem Militärknast hörten, warnten: Sei bloß still, denn sonst ...

Fall Nummer zwei. Peter Wright, ein Friedensaktivist aus Mannheim, meldete 2006 das Verschwinden eines US-Gefreiten, der sich ihm als John Pears vorgestellt hatte. Was er bei mehreren Treffs über die Zustände in besagtem Militärknast berichtete, war haarsträubend. Gefangene Zivilisten würden auf Metallbetten geschnallt, CIA-Verhörteams rückten regelmäßig zur Folter an. Am 3. September 2006 habe man die rechtlosen Folteropfer irgendwohin ausgeflogen. Wright wollte dem US-Zeugen, der offenbar zur Wacheinheit des Gefängnisses gehörte, zur Fahnenflucht verhelfen. Doch der Kontakt brach ab, der offenherzige Soldat wurde seither nie wieder gesehen. Die US-Militärs leugnen, dass es ihn gab.

Wright schaltet deutsche Ermittler ein. Anfangs interessiert sich die Bundesanwaltschaft, beauftragt das Bundeskriminalamt mit Ermittlungen. Kriminalhauptkommissar Andrew Mielach aus Meckenheim, gestern gleichfalls ein »Restzeuge«, will damals nur seinen Job erledigen. Doch er weiß natürlich um die politische Brisanz der Angelegenheit, macht also nur, was die Bundesanwaltschaft von ihm verlangt. Und die verlangt zunächst, dass Reboks Beobachtungen nicht in Zusammenhang mit den Schilderungen des US-Soldaten gebracht werden. Bedenkenlos übernimmt Karlsruhe Darstellungen der US-Militärs und ermittelt selbst so gut wie gar nicht. Auch dass die Amis unverlangt zugeben, bereits 1999 – wider das Truppenstatut, doch mit Information an die deutsche Regierung – in den »Coleman Barracks« Zivilisten aus Kosovo eingesperrt zu haben, befördert keinen Ermittlungseifer. Im Gegenteil, die Bundesanwaltschaft, gestern vertreten durch den zumeist erinnerungslosen Zeugen Wolf-Dieter Dietrich, verfügt die Einstellung aller Ermittlungen. »Kein Anfangsverdacht.«

Gefragt, ob angesichts der Bilder aus Guantanamo, die Gefangene in orangefarbenen Overalls und Ketten zeigen, nicht alle Alarmglocken geläutet haben, erwiderte der Karlsruher Beamtenroboter in widerlich schnoddriger Art: »Ja und? Die Frankfurter Müllabfuhr trägt auch orangefarbene Overalls.«

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