Der Frieden im Nahen Osten kommt nicht von allein

Aktivistin aus Nazareth befürchtet Stärkung der Rechten in Israel

  • Lesedauer: 4 Min.
Nabila Espanioly ist israelische Staatsbürgerin palästinensischer Nationalität und lebt in Nazareth. 1989 gründete sie das »Frauenzentrum Al-Tufula«. Sie ist gleichfalls Gründungsmitglied des in Haifa ansässigen Mossawa-Zentrums zur Förderung der Rechte arabischer Bürger in Israel. 2003 erhielt sie in Anerkennung ihrer Bemühungen um die Förderung der Menschenrechte im Nahen Osten den Aachener Friedenspreis. Mit ihr sprach ND-Mitarbeiter Roland Etzel.
Nabila Espanioly
Nabila Espanioly

ND: Zwischen der Hamas und Israel schweigen jetzt schon fünf Tage die Waffen. Wie bewerten Sie das?

Nabila Espanioly: Ich hoffe, es bleibt so. Aber das zerstörte Land muss jetzt wieder aufgebaut werden.

Wie soll es politisch weitergehen?

Ich denke, die wichtigste politische Frage ist jetzt, wie viel Verantwortung die Europäer und die Amerikaner für die Lage im Nahen Osten übernehmen. Ich bin sicher, Israelis und Palästinenser können das allein nicht schaffen. Zunächst muss es eine internationale Hilfsaktion für die Menschen geben. Gleichzeitig müssen die Verhandlungen fortgesetzt werden.

Glauben Sie, dass dieser Krieg in Israel das Verhältnis zwischen seinen arabischen und jüdischen Bürgern verändert hat?

Das denke ich schon. Der Krieg hat die Beziehungen beeinträchtigt. Die rechten Kräfte haben Positionen gewonnen. Und deshalb werden jene Stimmen lauter, die diese Beziehungen noch weiter verschlechtern wollen. Ich bin sicher, die allgemeine politische Lage zur Zeit ist nicht gut für mehr Anerkennung der Palästinenser als gleichberechtigte Bürger innerhalb Israels. Im Gegenteil, es wird versucht, uns aus dem gesamten demokratischen System herauszudrücken. Zum Beispiel sollen zwei arabische Parteien von der kommenden Wahl ausgeschlossen werden. Ich denke, so etwas beeinträchtigt die Beziehungen zwischen den Bürgern innerhalb Israels erheblich.

Außenministerin Zipi Livni hat kürzlich erklärt, wenn es eine Zwei-Staaten-Lösung gibt, dann wäre sie dafür, dass alle Palästinenser in jenem für sie zu schaffenden Staat leben, auch die israelischen. Das würde bedeuten, auch Sie müssten dann Israel verlassen.

Ich denke, das ist eine rassistische Aussage. Ich wohne hier in meinem Heimatland, Nazareth war und bleibt immer meine Heimatstadt, ich werde sie nicht verlassen. Nazareth und alle arabischen Dörfer und Städte hier ringsum existierten schon lange, bevor Livni oder ihre Vorfahren hierherkamen. Wir haben eine Geschichte, und wir sind Teil von diesem Land und seiner Geschichte.

Meinen Sie, dass eine derartige Aussage vielleicht nur eine der in Wahlkämpfen üblichen Überspitzungen ist?

Solche rassistischen Aussagen müssen überall in der Welt sehr, sehr ernstgenommen werden. Ich habe kein anderes Land, meine Familie ist seit mindestens 2000 Jahren hier. Wir haben eine Geschichte als Palästinenser, als Christen, als Araber. Nazareth ist eine der ältesten Städte der Welt, in der meine Familie tief verwurzelt ist. Mein Recht, hier zu leben, ist nicht von Zipi Livni gekommen, und sie kann es auch nicht in Frage stellen.

Sind Sie trotzdem für eine Zwei-Staaten-Lösung?

Als Palästinenser und als Friedensaktivisten innerhalb Israels arbeiten wir schon lange Jahre für zwei Staaten. Sie wären die beste Möglichkeit des Zusammenlebens.

Was glauben Sie: Welche Parteien werden die arabischen Israelis wählen am 12. Februar?

Ich denke, die Palästinenser innerhalb Israels sind eine Gemeinschaft mit verschiedenen politischen Meinungen. Ich hoffe, dass sie mehr und bewusster die Wahl nutzen, um ihre Interessen zu vertreten. Das würden sie z. B., wenn sie die Demokratische Front für Frieden und Gleichberechtigung (Chadasch*) wählen. Aber ich lebe nicht auf dem Mond und weiß, dass es auch Araber gibt, die die Livni-Partei wählen, leider.

Haben Sie die Hoffnung, dass mit dem Regierungswechsel sowohl in Israel als auch in den USA die Lösung des Nahostproblems schneller vorankommt?

Ich denke, es gibt ein Interesse von den USA und auch in Europa, den Konflikt zwischen Israel und Palästina zu lösen. Die Frage, wie er gelöst wird, liegt auch darin, welche Regierung wir haben werden. Bei dem gegenwärtigen Klima in Israel sieht es aber dafür nicht so gut aus. Die Rechten werden stärker in Israel. Und das bedeutet, die Stimmen für den Frieden werden schwächer.

Sie sind also pessimistisch.

Nein, ich hoffe, und meine Hoffnung basiert auf meiner politischen Arbeit. Aber ich bin kein Mensch, der glaubt, die Sachen kommen von alleine. Ich denke, wir haben eine sehr wichtige Rolle als Araber und Juden, diesen Frieden zu suchen.

Werden Sie sich selbst im Wahlkampf engagieren?

Wie gesagt, ich bin ein politischer Mensch. Ich bin in der Friedensbewegung in Israel, ich bin in der Chadasch, in der ich mit Gleichgesinnten für diese Ziele zusammenarbeiten kann.

* Chadasch ist eine antizionistische, linke Partei, in der Kommunisten eine wichtige Kraft darstellen. Sie ist die einzige Parlaments-partei Israels, die arabische und jüdische Mitglieder vereint.

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