Geld, Geld, Geld für den Lausitzring

Autorennbahn fast vor der Pleite / Land Brandenburg und Bankgesellschaft Berlin zahlen

  • Larissa Schulz-Trieglaff
  • Lesedauer: ca. 7.0 Min.

Eine halbe Milliarde Mark kostete der »Eurospeedway Lausitz« bisher - trotzdem stand er im März kurz vor der Pleite. Arbeitsplätze sollte er Südbrandenburg bringen, doch außer Autorenn-Spektakeln hat er den Lausitzern nichts zu bieten. Das Land Brandenburg und die Berliner Bankgesellschaft sorgen dafür, dass es dennoch weitergeht.

Blitz und Donner, Glockenschläge und Feuerwerk, tiefe Bässe und eine kreischende E-Gitarre. Rocker aus allen Ecken des Landes waren im Juni in den Lausitzring gekommen, um ein Konzert von AC/DC - der Hardrocklegende aus Australien - zu sehen. Schnelle Songs, das Brüllen von Sänger Brian Johnson, die langen Soli des Gitarristen Angus Young begeisterten rund 60000 Fans. Dass der Lausitzring an dem Abend nicht zu einem »Highway to Hell« wurde, da hatte der Veranstalter aus Berlin - concert concept - einfach nur Glück gehabt. Denn die Masse der Besucher konnte nach zwei Stunden AC/DC nur über drei Ausgänge das Gelände verlassen: Einer führte über eine schmale Treppe nach draußen. Ein anderer ging auf einen Weg, der die Besucher nicht zum Haupteingang, sondern um die ganze Rennbahn herum führte. »Zum Frühstück werden Sie schon am Parkplatz ankommen«, witzelte ein Ordner. Der dritte Ausgang schließlich zwang die Fans durch einen sechs Meter breiten Tunnel Richtung Parkplatz. Ordner oder Sicherheitskräfte - kaum einer war in der Menschenmasse zu sehen. Niemand gab richtig Auskunft, die Ausgänge waren als solche nicht einmal zu erkennen. Dafür war das Konzertgelände mit Stacheldrahtzäunen eingegrenzt. Dahinter im Dunkel Baustellen. Im Falle einer Massenpanik hätte man bei den mangelnden Sicherheitsvorkehrungen mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Der »Eurospeedway Lausitz«, wie er offiziell heißt, liegt gleich neben Senftenberg. Er erstreckt sich über 570 Hektar zwischen den kleinen Orten Klettwitz, Schipkau und Hörlitz auf einer ehemaligen Tagebaufläche. Zu DDR-Zeiten wurde sie mit Kiefernwäldchen und Ackerbau wieder rekultiviert. 1991 begannen die Planungen zum Bau der »modernsten Rennstrecke in Europa«, 1998 kamen die Baufirmen. Seit der Eröffnung im August 2000 finden Auto- und Motorradrennen, Testfahrten für Pkw und Lkw sowie kulturelle Events in der »multifunktionalen Erlebnisanlage« - so der Werbeprospekt - statt. Der Renner ist die German 500 im September, bei der Rennautos mit Geschwindigkeiten von 380Kilometer je Stunde durch den Ring rasen. Die Formel1, die die Betreiber unbedingt wollten, haben sie nicht bekommen. Noch kein Jahr ist die Rennbahn in Betrieb - schon steckt sie metertief in der Krise. Eigentlich sollte das großspurige Bauvorhaben die »arme Lausitz« aufwerten. »Wenn man berücksichtigt, dass jeder zweite vielleicht sogar ein Rennsportfan ist, dann muss man einfach schlichtweg sagen: hier gibt es einen richtigen Bedarf«, rechtfertigte Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) das Großprojekt. Bisher verschlingt der Speedway nur Unsummen staatlicher Gelder. 241Millionen Mark hat die Regierung über die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) schon in den Bau hineingesteckt. Alles Fördergelder oder »verlorene Zuschüsse«, wie es im Bankerjargon heißt. Weitere 20 Millionen Mark hat die »Eurospeedway Betriebs- und Management GmbH« im April gefordert. Trotz mehrmaliger Nachfragen bei GmbH-Geschäftsführer Hans-Jörg Fischer, gab er keine Auskunft über die erneuten Geldforderungen. Fischer, der sonst gerne im Rampenlicht der Medien steht, war für diese Zeitung nicht zu sprechen. Eine Antwort kam dafür von anderer Seite: Friedrich-Wilhelm Ulmke, Pressesprecher der ILB, berichtete, dass das Geld für Sicherheitsauflagen, für die Versickerungsfähigkeit des Bodens, für die Verbesserung des Baugrunds gefordert wurden. Ein Nachweis, dass die neu entstandenen Kosten bei Baubeginn nicht absehbar waren, müsse noch erbracht werden. Im August wollen sich Wirtschaftsministerium und ILB entscheiden. Nicht nur die Landesregierung hat sich als Fan von Autorennen geoutet. Auch die schwer angeschlagene Bankgesellschaft Berlin (BGB), der gerade vier Milliarden Mark fehlen, hängt mit drin, berichtete das ARD-Magazin »Kontraste« in der Juni-Sendung. Rennsportfan und Chef der Bankgesellschaft Wolfgang Rupf machte sich stark für den Lausitzring. Daher gehört einer BGB-Tochter, der Immobilien- und Baumanagement GmbH, die Lausitzring-Betriebsgesellschaft mehrheitlich. Neben anfänglich 70Millionen Mark für den Rennbahnbau wurden von der Bankgesellschaft weitere 40Millionen in ein Hotel investiert. Plötzlich und unerwartet geriet das Prestigeobjekt auf Schleuderkurs: Im März 2001 musste die Betriebsgesellschaft zugeben, das sie die Rennbahn dichtmachen kann, wenn kein weiteres Kapital für den Ausbau zur Verfügung gestellt würde. Tatsächlich ließ die Bankgesellschaft - trotz zweifelhafter Gewinnchancen - weitere 118Millionen Mark springen, um den Konkurs der Betriebsgesellschaft zu verhindern. Außerdem fließen noch 35Millionen Mark für den Ausbau von Straßen, Park- und Campingplätzen. Diese ganze Fehlinvestition trug zum Milliardenloch und damit zur aktuellen politischen Krise in Berlin bei. Der bisherige Ausbau des Lausitzrings hat fast eine halbe Milliarde Mark verschlungen. Dabei war das ganze Projekt von Anfang an umstritten. Anita Tack, regionalpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion in Brandenburg, war schon immer dagegen. »Die regionalen Effekte sind ausschließlich negativ, die Landesregierung hätte die Gelder in die Arbeitsmarktförderung stecken sollen«, sagte Tack. Immerhin liegt die Arbeitslosigkeit in der Lausitz bei rund 25Prozent. In den nächsten Jahren sollten durch die Rennbahn etwa 1500 Arbeitsplätze entstehen. 1995 war auch mal von 4000 die Rede gewesen. Real gibt es jedoch erst 40. An die Schaffung vieler Arbeitsplätze glaubt Anita Tack nicht: »Vorwiegend Saisonarbeitskräfte werden am Lausitzring gebraucht«. Selbst der Bürgermeister von Hockenheim in Baden-Württemberg, wo seit Jahrzehnten eine Rennstrecke betrieben wird, warnte vor dem Projekt: In einem Brief an die PDS-Fraktion machte er vor Baubeginn darauf aufmerksam, dass »eine wirtschaftlich geführte Rennstrecke, die ohne laufende Subventionen auskommen muss, (...) maximal 20 bis 25 Dauerarbeitsplätze verkraften« kann. Ohnehin sei es schwierig für eine Rennstrecke, über die Runden zu kommen. Schaut man auf die Internetseite »www.eurospeedway.de« unter der Rubrik »Jobs«, dann stößt man auf ein reichhaltiges Angebot an Praktikantenstellen. Über rund sechs Monate dürfen sich Praktikanten engagieren. Englisch- und PC-Kenntnisse werden erwartet, außerdem Organisationstalent und Flexibilität. »Bereitschaft zur Arbeit an Wochenenden und an Feiertagen setzen wir voraus.« Auch suchen die Veranstalter Aushilfskräfte für die Champ-Car-Serie German 500, die einen reibungslosen Veranstaltungsservice gewährleisten sollen. Ihre Entlohnung: Eine Aufwandspauschale. Vorher sollte man sich allerdings genau nach den Arbeitsbedingungen erkundigen, denn so ganz ohne ist die Arbeit auf dem Lausitzring nicht: Bei einem Testtraining wurde im vergangenen Mai ein Streckenposten durch ein Rennauto getötet. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Infrastruktur. Es fehlen Zufahrtsstraßen, um die anreisenden Automassen vor den Großereignissen zu bewältigen. Auch vor dem AC/DC-Konzert standen die Rocker auf der A 13 im Stau: stundenlang und über mehrere Kilometer. Das Abfließen des Verkehrs nach Konzertende war nur mit einem großen Polizeiaufgebot in den Griff zu bekommen. Die Vergabe der 241 Millionen Mark Fördergelder durch die Regierung waren ausschließlich für den Ring, nicht für den Ausbau der Infrastruktur gedacht. Anita Tack fürchtet, dass künftig die Kommunen mit der Erschließung der Straßen belastet werden. Irgendwie bleibt die Lausitz bei der Autorennbahn außen vor: Kurz nach der Fertigstellung wurde der Ring einfach zum international besser klingenden »Eurospeedway« umbenannt. Das führte in der Region zu heftigen Protesten, so dass die Lausitz klein gedruckt doch wieder rangehängt wurde. Die Betreiber begründeten die Umbenennung damit, dass sich damit die Vermarktungschancen verbessern würden. Bei einer Abstimmung in einer Regionalzeitung votierten 81Prozent der Teilnehmer für »Lausitzring«. Kritiker befürchten, dass die Lausitz früher oder später aus dem Namen herausfällt. Dennoch steht die Mehrheit der Bewohner in den Dörfern und Städten nach wie vor hinter dem Speedway, obwohl auch der Lärm durch die Autorennen erheblich ist. »Selbst bei geschlossenen Fenstern hören wir den Krach«, sagte der PDS-Kreisvorsitzende Gerd-Rüdiger Hoffmann aus Senftenberg. Der Politiker gehört zu den wenigen Couragierten im Kreis, die sich öffentlich gegen dieses Prestigeobjekt ausgesprochen und auf die Nachteile verwiesen haben. Erfolg hatte er damit nicht. Dabei hätte er ausreichend Alternativvorschläge aufzuweisen, in deren Umsetzung die Regierung zugunsten der Region hätte investieren können. Zum Beispiel in ein Zentrum für alternative Energien, in dem geforscht, ausgebildet und Projekte beraten werden. Schließlich ist die Windkraft groß im Kommen. »Und ingenieurtechnisches Personal haben wir in der Region massenhaft«, betonte Hoffmann. Auch hätte das Land eher in regionale Kulturprojekte investieren sollen: in Theater, in Bildungseinrichtungen. Oder in die Öffnung der Industrieregion für den Tourismus. Die Internationale Bauausstellung »Fürst-Pückler-Land« sei da ein interessanter Anfang. »Doch in der Regierung gibt es kein volkswirtschaftliches Denken mehr, betriebswirtschaftliche Interessen eines Unternehmens oder einer Gesellschaft werden zur Landespolitik«, kritisierte Hoffmann. Daher solle die PDS den Lausitzring zum Anlass nehmen, darüber zu diskutieren, wie der wirtschaftliche Strukturwandel nicht ablaufen soll. Die Kritiker befürchten, dass die von der Betriebs- und Management GmbH gerade geforderten 20 Millionen Mark nicht die letzten sind. Denn die Betreiber der Rennbahn brauchen Geld, Geld und Geld. Mit aller Gewalt versuchen sie, Einnahmen zu machen. Über Massenveranstaltungen wie das AC/DC-Konzert, obwohl die Infrastruktur außerhalb wie innerhalb des Rings dafür nicht geeignet ist. Oder über plumpe und sexistische Werbekampagnen. Das AC/DC-Konzert war das erste kulturelle Großereignis. Und irgendwie passte die Hardrockband da auch hin: Ihre berühmt-berüchtigten Hells Bells - die...

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