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Jobmotor oder Umweltsünde?

Ausbaupläne am Frankfurter Flughafen sorgen auch innergewerkschaftlich für Knatsch

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.
Innerhalb der hessischen Gewerkschaften ist der Ausbau des Frankfurter Flughafens seit Jahren umstritten. Die ver.di-Kollegen Gerold Schaub und Hermann Schaus sind dabei klare Kontrahenten: Sozialdemokrat Schaub verabschiedete in seiner Nebenposition als Vizeaufsichtsratschef der Flughafenbetreibergesellschaft Fraport im letzten Jahr noch eine Resolution mit, die vor einem Regierungswechsel in Hessen warnte. Schaus dagegen macht als Landtagsabgeordneter der LINKEN mobil gegen Fraports Propaganda vom »Jobmotor Flughafen«.

Wenn es um eine Rechtfertigung des aktuellen Ausbaus des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens geht, dann stellen seine Befürworter stets die Parole vom »Job-Motor« Flughafen in den Mittelpunkt. Die erwartete Schaffung und Sicherung von zigtausend Arbeitsplätzen durch die neue Nord-West-Landebahn wiege in Krisenzeiten schwerer als etwa ökologische Bedenken, heißt es. Mit einer klaren Positionierung zu dieser Frage tun sich auch die Gewerkschaften der Region schwer.

2003 lehnte die hessische ver.di-Landesbezirkskonferenz einen Ausbau des Flughafens ab. Antragssteller waren damals der Landesfachbereich Medien und der ver.di-Bezirk Südhessen mit Sitz in Darmstadt. Dieser Beschluss ist nie offiziell aufgehoben worden.

Schon in der Gewerkschaft ÖTV aber, die sich als eine von fünf Quellorganisationen 2002 in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di aufgelöst hatte, war der Flughafenausbau umstritten. Maßgebliche Protagonisten der unterschiedlichen Standpunkte waren damals der ÖTV-Landesvorsitzende Gerold Schaub und der Darmstädter ÖTV-Kreisgeschäftsführer Hermann Schaus. Der Ausbaugegner Schaus hatte als Herausforderer 2000 gegen Schaub für den ÖTV-Landesvorsitz kandidiert und war unterlegen. Schaub machte sich damals nach Insiderangaben Hoffnungen auf den Posten eines Arbeitsdirektors bei der Flughafenbetreibergesellschaft FAG, die 2001 durch einen Börsengang teilprivatisiert und in Fraport AG umbenannt wurde.

Sikorski stimmte als Einziger mit »Nein«

Doch der überraschende Rücktritt des ÖTV-Vorsitzenden Herbert Mai im Zusammenhang mit einer Abstimmung über die Gründung von ver.di machte einen Strich durch Schaubs Karriererechnung; Mai, der in den 90er Jahren zunächst als hessischer ÖTV-Landesvorsitzender fungiert hatte und 1995 Bundesvorsitzender geworden war, musste nun dringend »versorgt« werden und bekam als früheres Aufsichtsratsmitglied des Flughafenbetreibers bei der Besetzung des Arbeitsdirektoren-Postens den Zuschlag.

Schaub ging damals »leer« aus, ist bis zum heutigen Tage allerdings Landesleiter des Fachbereichs Verkehr bei ver.di Hessen und bezieht als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Fraport AG ein kleines Zubrot. In dieser Funktion war der Sozialdemokrat vergangenen Oktober mit entscheidend für die Verhinderung einer Wahl der SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti zur hessischen Ministerpräsidentin gewesen.

Damals nämlich beschloss der Fraport-Aufsichtsrat eine Resolution, die das gerade erst ausgehandelte Regierungsprogramm von SPD und Grünen in Hessen kritisierte und vor einem Regierungswechsel warnte, weil dadurch der geplante Ausbau verzögert würde. Die einzige Gegenstimme im Aufsichtsrat kam vom Frankfurter Verkehrsdezernenten Lutz Sikorski (Grüne), während alle anderen Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter wie auch SPD-Politiker in diesem Gremium dem Vernehmen nach mit »Ja« stimmten.

Dieser Beschluss fand wenige Tage vor dem geplanten Regierungswechsel in regionalen Medien ein starkes Echo und lieferte den vier Abweichlern in der SPD-Landtagsfraktion um Ypsilantis Gegenspieler Jürgen Walter eine Steilvorlage für ihr Ausscheren. Initiator der Resolution war übrigens der Fraport-Betriebsratsvorsitzende Peter Wichtel, ein langjähriges CDU-Mitglied und Unterstützer einer Initiative, die in der zurückliegenden hessischen Landtagswahl explizit vor einer Stimme für die hessische LINKE gewarnt hatte. Wichtel ist inzwischen CDU-Bundestagskandidat im Wahlkreis 185 (Offenbach).

Zumindest in Sachen Flughafenausbau sind die ver.di-Kollegen Gerold Schaub und Hermann Schaus Kontrahenten geblieben. Schaus sitzt inzwischen für DIE LINKE im Hessischen Landtag und argumentiert dort wie auch bei regelmäßigen Abstechern vor Ort gegen die Fraport-Propagandamaschinerie von den zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen. Er befürchtet ein Milliardengrab und lässt auch angesichts sinkender Fluggast- und Luftfrachtzahlen das Argument von der »Kapazitätsgrenze« nicht gelten.

Statt Konkurrenz zwischen Flughäfen und Verkehrsträgern fordert Schaus ein kooperatives Verbundsystem von Flughafenbetreibern und anderen Verkehrsmitteln. »Innerdeutsche und ein Teil der europäischen Flüge gehören auf die Schiene«, fordert Schaus. Dass dies keine Utopie sei, habe die Lufthansa dieser Tage selbst demonstriert, als sie die vom Flugbegleiter-Streik betroffenen Passagiere kurzfristig und mühelos auf ICE-Züge umdirigierte. Dies wurde so auch von der Lufthansa-Pressestelle auf ND-Anfrage bestätigt. Zudem bewältigen schnelle Eisenbahnverbindungen von City zu City Relationen wie Frankfurt-Paris, Stuttgart-Paris, Köln-Paris, Frankfurt-Brüssel und Frankfurt-Berlin heutzutage in rund vier Stunden, die Strecke London-Köln durch den Kanaltunnel in fünf bis sechs Stunden. Somit bringen Flüge in den meisten Fällen nicht einmal mehr Zeitersparnis.

Fraport will Jobs ausgründen

Nach der Stabilisierung der CDU-geführten Landesregierung fühlt sich das Fraport-Management inzwischen so sicher, dass es nun unter dem Druck der Lufthansa die Einkommen von über 5500 Beschäftigten im Bodenverkehrsdienst durch Ausgründung massiv senken will. Das ging auch Schaub zu weit; er sprach von einem »Großkonflikt« und einem »Erpressungsversuch des Vorstandes« und drohenden Lohneinbußen bis zu 600 Euro monatlich.

Die Aktien der Fraport AG befinden sich übrigens trotz Teilprivatisierung nach wie vor mehrheitlich in öffentlicher Hand (Bund, Land, Stadt Frankfurt). Der Behauptung von Fraport-Vorstand und Landesregierung, es handele sich hier um »die größte rein privat finanzierte Baumaßnahme«, widersprechen Ausbaukritiker wie Schaus. »Hier werden unsere Steuergelder investiert. Diese öffentlichen Mittel fehlen dann für andere Investitionen«, heißt es in einer Dokumentation von Bürgerinitiativen: »Das Arbeitsplatzversprechen ist ein Märchen.« Darin wird auch der Chemnitzer Wirtschaftsprofessor Friedrich Theißen zitiert: »Bei Ausbauten der größten Flughäfen Deutschlands ist nicht mit nennenswerten zusätzlichen Arbeitsplätzen zu rechnen.«

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