Eine Werft und ihre Landschaft

Für Kreuzfahrtschiffe soll in Ostfriesland ein Kanal gebaut werden – fordern ausgerechnet Umweltschützer

  • Velten Schäfer, Leer
  • Lesedauer: 4 Min.
Streit in Ostfriesland: Ein, zwei Milliarden würde ein Kanal von Papenburg an die Nordsee kosten. Die Meyer-Werft könnte dann ihre Schiffe besser ausliefern. Ausgerechnet die Umweltverbände haben die Idee ins Spiel gebracht. Niedersachsen will eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben.

Von Krise ist nichts zu spüren auf der Meyer-Werft in Papenburg. Vor wenigen Tagen erst wurde mit dem Bau eines neuen Kreuzfahrtriesen begonnen; 317 Meter lang soll die »Celebrity Eclipse« werden und 37 Meter breit. 2900 Passagiere sollen an Bord einen Luxus-Kreuzfahrturlaub verleben können, wenn das Schiff in einem Jahr fertig ist. Auch in den nächsten Jahren sind die Bücher voll. Stolz kann Bernard Meyer, in sechster Generation Chef des Familienunternehmens mit 2500 Beschäftigten, erklären: »Im Jahr 2012 werden weltweit vier neue Kreuzfahrtschiffe ausgeliefert; davon bauen wir drei.« Insgesamt stünden bis 2012 derzeit zehn Kreuzfahrtschiffe in den Büchern.

Papenburg, etwa 20 Kilometer von der ostfriesischen Nordseeküste entfernt, hat eine große Werftentradition. Die Familie Meyer begann hier schon 1795 mit dem Schiffsbau, um 1920 gab es fast zwei Dutzend Werften in der kleinen Stadt. Doch überlebt hat nur die Meyer-Werft, die seit bald 30 Jahren auf die Luxusliner setzt und von der sich anbahnenden neuerlichen Werftenkrise weitgehend unbehelligt zu bleiben scheint.

Spektakel und Skandal

Abhängig ist die Werft von einem anderen Faktor: der Ems, dem flachen Flüsschen, das Papenburg mit der Nordsee verbindet. In wenigen Wochen wird es wieder zu einem der Manöver kommen, das Tausende fasziniert – und vielen Sorgen macht: der Überführung der »Aida Luna« in die See. Das Bugsieren der Riesen ist für die Schlepper eine Nervensache, für die Zuschauer ein Spektakel, für Umweltschützer ein Dauerskandal – und für die Werft eine Wachstumsbremse. Derzeit darf Meyer große Schiffe nur im Herbst und Winter ausliefern. Für die Riesen muss nämlich die Ems aufgestaut werden, weil sonst der Tiefgang nicht reicht. Das Aufstauen ist im Frühjahr und Sommer aber verboten. Ein Zugeständnis an die Umweltschützer, als eigens für die Überführungen ein Sperrwerk in Gandersum errichtet wurde.

Die Schiffbarmachung der Ems, darin sind sich Umweltschützer, Bürgerinitiativen und die Grünen im Landtag einig, ist eine gewaltige Belastung für den Fluss. »Der Sauerstoffmangel ist eklatant«, erklären WWF und BUND gemeinsam. Die Unterems habe sich »innerhalb von nur zwei Jahrzehnten« von »Deutschlands artenreichster Flussmündung zu einer in Teilen leblosen, extrem verschlickten Wasserstraße entwickelt«. Im Sinne von Umweltschutz, Tourismus und Binnenfischerei ein unhaltbarer Zustand, so auch die Landtagsgrünen in Hannover.

Dass an dieser Stelle aber die Einigkeit endet, zeigte sich am Montag im Kreishaus zu Leer. Dort trafen sich Landrat und Bürgermeister, um vor Scharen von Journalisten über einen Vorschlag zu debattieren, der in Niedersachsen derzeit für Aufruhr sorgt. Um die Ems zu retten, haben ausgerechnet die Umweltverbände WWF und BUND, ansonsten eher für das Verhindern von Großprojekten bekannt, eine Milliarden-Idee ins Spiel gebracht: Parallel zur Ems könne für die Schiffe ein breiterer und tieferer Kanal entstehen, damit der Fluss »renaturiert« werden kann.

Plan oder Finte?

Seither ist es vorbei mit dem Frieden in Ostfriesland. Auch der NABU hat sich der Kanal-Idee angeschlossen, während Initiativen wie der »Wattenrat« und die Grünen das Gegenteil fordern: Nicht die Landschaft soll sich der Weft anpassen, sondern umgekehrt: Meyer solle umziehen, am besten in die Ostfriesen-Metropole Emden.

Daraus wird nichts, unterstrich am Montag Hermann Bröring, der Landrat von Leer. Wer einen Umzug fordere, treibe Meyer ins Ausland. Auch der Landrat von Leer, Bernhard Bramlage, kann dem Projekt viel abgewinnen; er träumt von der »großen Lösung«, den Kanal über Papenburg hinaus bis zum Küstenkanal zu verlängern und so einen Anschluss zum Jade-Weser Port bei Bremerhaven herzustellen. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat sich bereits für eine Machbarkeitsstudie ausgesprochen, SPD-Bundestagsmann Garrelt Duin das Einverständnis des Verkehrsministeriums signalisiert.

Nur Stefan Wenzel gibt noch den einsamen Mahner. Der Grünen-Fraktionschef hält die Idee für ein abgekartetes Spiel: Die Studie sei ein Täuschungsmanöver, mit dem die Öffentlichkeit vorbereiten werden solle auf eine weitere Zurichtung der Ems selbst zu einem Meyer-Kanal. Billiger wäre das wahrscheinlich.

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