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Volksentscheid vor Europawahl

Abgeordnetenhaus debattiert Einführung eines Wahlpflichtfachs Religion an Schulen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der große inhaltliche Schlagabtausch blieb aus. Ohne außergewöhnliche Emotionen wurde gestern im Abgeordnetenhaus über den Volksentscheid der Initiative Pro Reli diskutiert, die eine Einführung eines Wahlpflichtfaches Religion an den Schulen fordert – und dafür in der ersten Stufe eines Volksbegehrens bis zum 21. Januar 300 000 Unterschriften gesammelt hat.

Unterstützung erhielten die Religionsbefürworter, die sich gegen den in Berlin verpflichtenden gemeinsamen Ethikunterricht in den Klassen 7 bis 10 aussprechen, wie nicht anders zu erwarten, aus den Reihen der oppositionellen CDU und FDP. »Wir wollen Wahlfreiheit zwischen Ethik und Religion«, stellte sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Henkel hinter das Volksbegehren, das maßgeblich von den beiden großen christlichen Konfessionen und seiner eigenen Partei gefördert wird.

Henkel forderte den rot-roten Senat auf, den Bürgerwillen, den die CDU im Volksbegehren für das Wahlpflichtfach erkennt, nicht zu ignorieren. Dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) warf der Oppositionspolitiker zudem vor, er würde mit dem Wahltermin für den anstehenden Volksentscheid »tricksen«. Notwendig sei dagegen ein Termin parallel zur Europawahl am 7. Juni.

Ähnlich äußerte sich der Fraktionsvorsitzende der FDP, Martin Lindner, der überdies die Randständigkeit des Religionsunterrichts im Stundenplan bemängelte. »Aus dieser Nische muss der Religionsunterricht herausgeholt werden«, sagte Lindner. Auch die FDP besteht auf einen Termin analog zur Europawahl, da ansonsten 1,4 Millionen Euro zusätzliche Kosten für einen extra terminierten Volksentscheid aufzubringen seien.

Nach der gestrigen Debatte und dem Abstimmungsverhalten im Abgeordnetenhaus deutet jedoch wenig auf einen Termin analog zur Europawahl hin. Ein entsprechender Antrag der Grünen, die sich zwar inhaltlich für ein gemeinsames Fach Ethik stark machen, zugleich aber einen Wahltermin für den Volksentscheid am 7. Juni präferieren, wurde mit den Stimmen der rot-roten Regierungskoalition abgelehnt.

Stattdessen machte Wowereit erneut deutlich, dass der rot-rote Senat nicht zwangsläufig auf einen Wahltermin setzt, sondern für eine zügigere Abstimmung ist. »Das Warten auf einen Wahltermin ist die Ausnahme und nicht die Regel«, erklärte Wowereit. Und: »Die Regierung legt den Termin fest.« Wann abgestimmt wird, werde in den nächsten Wochen zu diskutieren sein. Die SPD-Fraktion plädierte unterdessen für den 26. April.

Gegen die Vorwürfe der Opposition, er sei ein Kirchenfeind, verwahrte sich der Regierende Bürgermeister indes nachdrücklich. »Wir unterstützen die Religionsgemeinschaften jährlich mit 47 Millionen Euro.« Dass der Religionsunterricht in unserer multikulturellen Gesellschaft an Stellenwert verliere, könne jedoch nicht durch den Staat kompensiert werden, so Wowereit. Er appellierte an die Berliner, sich über das Volksbegehren genauestens zu informieren: »Denn hier schafft keiner Religion ab.«

Welche drei Schwierigkeiten die Debatte bietet, machte die Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Carola Bluhm, deutlich: Erstens sei es falsch, dass die Zahlen der Schüler im Religionsunterricht durch Ethik sinken würden, schließlich würde doch das Gros des Religionsunterrichts in den Grundschulen stattfinden. Massiv kritisierte Bluhm auch die Art und Weise Pro Relis, Unterschriften zu sammeln, etwa indem Kindern Listen in den Schulen mitgegeben wurden. Das größte Problem sei jedoch, dass Pro Reli suggeriere, die Regelung der Freiwilligkeit des Religionsunterrichts in Berlin sei verfassungswidrig, so Bluhm.

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