nd-aktuell.de / 06.02.2009 / Politik / Seite 8

Der Richter

Scheich Scharif Scheich Ahmed ist neugewählter Präsident von Somalia

Roland Etzel

Sein erster Auftritt im Ausland gipfelte in einem Hilferuf. Scheich Scharif Scheich Ahmed bat um militärische Unterstützung – ob von Afrikanischer Union (AU) oder UNO, ganz egal, Hauptsache sie kommt. Das sagte er auf dem derzeitigen AU-Gipfel in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens.

Ausgerechnet. Noch vor wenigen Wochen hätte man ihn dort wie einen Straßenräuber eingekerkert, denn äthiopische Truppen hatten mit US-Hilfe halb Somalia besetzt, auch die Hauptstadt Mogadischu, und Scharifs regierende Union Islamischer Gerichte aus dem Amt gejagt. Das war Anfang 2007 und gehört zu den absurdesten Stücken aus dem weltweiten »Anti-Terror-Krieg« der USA. Inzwischen ist – nach erneuten blutigen Scharmützeln – die so genannte Übergangsregierung besiegt, und die Union regiert wieder, jetzt mit Scharif an der Spitze. Und er wird nicht nur von seinen afrikanischen Amtskollegen goutiert, sondern sogar vom anwesenden UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mit der Eloge geadelt: »Ich verlasse mich auf Ihre weise und visionäre Führerschaft.« Scharif wird das zu schätzen wissen und als prinzipielles Ja auf seine Bitte werten. Das Vertrauen zu Hause muss er sich auf längere Sicht freilich mit zivilen Leistungen erarbeiten. Das hat er in gewisser Weise bereits getan.

Der 44-jährige, in der südsomalischen Schebele-Region geborene Scharif ging nach dem Besuch einer Koranschule und einer ägyptischen Schule in Mogadischu nach Sudan und Libyen, um Arabisch und Geographie zu studieren. Geographielehrer waren allerdings nicht gefragt in einem Land, in dem seit 1991 keine handlungsfähige Zentralregierung und folglich kaum noch Schulen existieren.

Seit etwa 2006 lösen islamische Gerichte in dem gesetzlosen Land alltägliche Rechtsfälle – nahezu allein mit Hilfe der Autorität ihrer Mitglieder. Zu ihnen zählte auch Scharif. Nach der Flucht nach Kenia Anfang 2007 war er maßgeblich an Friedensverhandlungen beteiligt und setzt auf Versöhnung. Dafür wird er nun von einem Teil seiner ursprünglichen Verbündeten des Verrats beschuldigt und bittet das Ausland um Hilfe. Als sein Hauptrivale gilt Maslah Mohamed Siad Barre, Sohn des letzten regulären Präsidenten, der die Hauptschuld am Zerfall Somalias trägt.