nd-aktuell.de / 07.02.2009 / Politik / Seite 1

Krise: Die Einschläge kommen näher

Industrie muss Nachfragerückgang um 26 Prozent verkraften / Angst um Arbeitsplätze

Grit Gernhardt
Ob Auto-, Stahl- oder Schiffsbauindustrie, Absatzrückgang wohin man schaut. Die weltweite Krise trifft den Exportweltmeister Deutschland mit voller Wucht und auch die Inlandsnachfrage geht zurück – mit drastischen Folgen für die Beschäftigten.

Eine Umfrage des »Spiegel« brachte es ans Licht: 58 Prozent der Deutschen glauben nicht, dass die Große Koalition die Krise überwinden kann. Angesichts der jeden Tag deutlicher werdenden Folgen des Wirtschaftseinbruchs verwundert es aber eher, dass immer noch 40 Prozent daran glauben. So viele Industriezweige sind von teils dramatischen Auftragseinbrüchen betroffen, dass es für die Arbeitnehmer um die Existenz geht.

Am düstersten sieht es momentan in der Stahlherstellung aus: Im letzten Quartal 2008 musste laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl ein Auftragsrückgang von knapp 47 Prozent hingenommen werden, der höchste in der Nachkriegsgeschichte. Viele Hüttenwerke reagierten mit Stillegungen und Kurzarbeit. Auch in der Metall- und Elektroindustrie sowie im Tiefbau bleiben die Auftragsbücher leer: Beide Industriezweige mussten im November 2008 Nachfragerückgänge von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr hinnehmen – Tendenz weiter steigend.

Und nicht nur die Auslandsnachfrage ist gefährdet, auch inländische Abnehmer verlassen sich auf ihre Lagerbestände, statt Ware zu ordern. Und bis die »kurzarbeitenden« Industriezweige wieder vollständig angelaufen sind, werden weniger Rohstoffe benötigt.

Am Freitag kamen neue Hiobsbotschaften aus der gebeutelten Autoindustrie: BMW und Audi meldeten, dass die Nachfrage gegenüber Januar 2008 um 24 beziehungsweise 29 Prozent zurückgegangen sei. Der gesamte Autobau bekam 13 Prozent weniger Bestellungen aus dem In- und 37 Prozent weniger aus dem Ausland.

Nicht nur des Deutschen liebstes Kind steckt tief in der Krise, auch den Schiffbau trifft es. Auf deutschen Werften herrsche der niedrigste Auftragsstand seit 2001, so das Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik. Unter diesen Bedingungen sei die Beschäftigung nur noch für knapp drei Jahre zu sichern. Für die stark exportabhängige deutsche Industrie ergibt sich insgesamt ein düsteres Bild: Im November/Dezem-ber 2008 wurden 26 Prozent weniger Bestellungen registriert als im Vorjahreszeitraum, die Auslandsnachfrage sank um knapp 30 Prozent, nur die Konsumgüter halten sich relativ stabil.

Zu spüren bekommen es die Beschäftigten: zehn Prozent der Zeitarbeiter wurden von November bis Dezember 2008 entlassen, knapp 300 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Mit bis zu 1,6 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld rechnet Bundesagentur-Chef Frank-Jürgen Weise – eingeplant waren für 2009 rund 300 Millionen.