Erst brilliert, dann gekniffen

Alba Berlin verpasst in der Basketball-Euroleague mit 84:87 gegen Real Madrid knapp die Sensation

  • Christian Heinig
  • Lesedauer: 3 Min.

Rashad Wright wollte nur noch weg, den Ort der Schmach verlassen, sofort. Niedergeschlagen, mit gesenktem Kopf trottete er aus der Arena am Ostbahnhof – ganz allein. Seine Mannschaftskollegen, die Basketballer von Alba Berlin, blieben standfest, klatschten auf ihrer obligatorischen Hallenrunde nach Spielende die Fans ab. Wright flüchtete. Zwei wichtige Freiwürfe hatte der Amerikaner zwölf Sekunden vor Spielende vergeben. Sie hätten den Ausgleich bringen können. So verlor Alba am Donnerstagabend sein erstes Heimspiel in den Top 16 der Euroleague mit 84:87 (52:37) gegen das spanische Spitzenteam Real Madrid. Dabei hatten die Berliner, als krasser Außenseiter in diesem Duell, zwischenzeitlich bereits mit 19 Punkten in Führung gelegen.

»Wir müssen schnell vergessen, was passiert ist«, sagte Aleksandar Nadjfeji, mit 16 Zählern zweitbester Berliner Punktesammler hinter Julius Jenkins (21). »Trotz allem bin ich stolz auf unsere heutige Leistung«, fügte Nadjfeji hinzu. Die Berliner waren nah dran, einen der Topfavoriten auf den europäischen Basketball-Thron zu entzaubern. Am Ende gaben Kleinigkeiten den Ausschlag – so wie Wrights Freiwürfe.

Mit versteinerter Miene nahm Luka Pavicevic, der Berliner Trainer, nach Spielende im Presseraum Platz. Er wusste, dass Albas Chancen auf ein Weiterkommen nach der zweiten Zwischenrundenniederlage im zweiten Spiel auf ein Minimum geschrumpft sind. »Wir haben ein Spiel verloren, das wir eigentlich nach Hause bringen müssen«, klagte er. Gewöhnlich schickt er zu allererst eine Gratulation an seine Spieler, dankt ihnen für ihren aufopferungsvollen Einsatz, ganz unabhängig vom Spielausgang. Diesmal aber kein Wort. Pavicevic grollte.

In der ersten Hälfte dominierten die Berliner, die im Auftaktspiel der Top-16-Runde eine Woche zuvor bei Maccabi Tel Aviv mit 65:96 untergegangen waren, die »Königlichen« phasenweise nach Belieben. In der Defensive erlaubten sie Real kaum gute Wurfmöglichkeiten. Und im Angriff trafen sie aus allen Lagen. 68 Prozent ihrer Würfe fanden in den ersten 20 Minuten den Weg in den Korb. Allein Jenkins gelangen 17 Punkte. Begeistert sprangen die 11 045 Zuschauer in der Arena am Ostbahnhof immer wieder auf, so viele Highlights gab es zu bejubeln. Nach einem Dreipunktetreffer durch Casey Jacobson lagen die Albatrosse 48:29 vorn. Das war in der 18. Spielminute.

Nach der Pause aber schmolz der Vorsprung der Berliner peu à peu. Die Madrilenen, die ihre Auftaktpartie gegen Barcelona 85:83 für sich entschieden, fanden immer besser ihren Rhythmus. Allen voran Louis Bullock, den sie »Sweet Lou« nennen, weil er so einen geschmeidigen Wurf hat. 15 Zähler erzielte der Amerikaner in der zweiten Hälfte, insgesamt kam er auf 19. »Er hat uns richtig weh getan«, sagte Albas Sportdirektor Henning Harnisch. »Dabei roch es doch schon stark nach einer Sensation für uns.«

Fünf Minuten vor dem Ende hatte Alba noch 79:69 geführt. Doch zu oft in dieser Phase angelten sich die Spanier nach Fehlwürfen ihre eigenen Rebounds. So ergaben sich viele zweite Wurfchancen. »Real hat in den entscheidenden Momenten seine ganze Cleverness ausgespielt«, befand Harnisch.

Eben diese Cleverness hätte Albas Trainer Pavicevic gerne von seinem Team gesehen: »Diesen Sieg musst du an dich reißen als Spieler«. Vielleicht tröstet ihn ja die Anerkennung seines Kollegen. Reals Coach Joan Plaza sagte: »Es ist sehr schwer, gegen Alba hier in dieser Arena zu gewinnen. Das haben wir heute gelernt.« Auch Rashad Wright hat an diesem Abend etwas gelernt. Dass man 39 Minuten und 48 Sekunden fast alles richtig machen kann – und dann an Kleinigkeiten scheitert.

Euroleague Top 16 Gruppe F: Alba Berlin - Real Madrid 84:87 (52:37), Barcelona - Maccabi Tel Aviv 85:65 (39:33).

1. Real Madrid 2 172:167 4:0

2. FC Barcelona 2 168:150 2:2

3. Maccabi Tel Aviv 2 161:150 2:2

4. Alba Berlin 2 149:183 0:4

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