nd-aktuell.de / 12.02.2009 / Kultur / Seite 11

»Großartig«

Julia Jensch ist »Effi Briest« im Film von Hermine Huntgeburth – Interview

Julia Jentsch ist Stammgast der Berlinale seit sie als Sophie Scholl auf der Leinwand debütierte. Jiri Menzel verpflichtete sie für seine Adaption von Hrabals »Ich diente dem König von England«. Am Montag wurde sie als Effi (Foto: AFP) in Hermine Huntgeburths Adaption mit Standing Ovations gefeiert. Der Film entstand 2007 in Litauen, Berlin und Brandenburg auf den Spuren Theodor Fontanes.

ND: »Effi Briest« gehört in den meisten Schulen zur Pflichtlektüre. Mochten Sie das Buch?
Jentsch: Ich fand es großartig. Sonst hätte ich nicht Lust gehabt, bei der Verfilmung mitzumachen. Ich mag die Sprache Fontanes, der die Personen so genau und differenziert beschrieben hat. Sie haben positive und negative Seiten, dass sie mich so sehr faszinieren, dass ich mehr über sie wissen und verstehen will. Der Leser kann zurückverfolgen, warum ein Innstetten so agiert. Ich kann mit ihm fühlen, obwohl ich mir wünsche, dass er anders wäre.

Waren Sie erschrocken über die Modernisierungen und Veränderungen des Drehbuches ?
Ich empfinde Hermines Version nicht als Modernisierung. Sie hebt nur andere Dinge hervor als es zum Beispiel vorher Fassbinder getan hatte. Über das Ende war ich selbst überrascht, fand es dann aber mehr und mehr plausibel. Damals waren die Frauen die Opferfiguren und mussten am Ende einer Geschichte sterben. Davon kann man sich heute lösen, ohne dass es der Geschichte ihre Tragik und Kraft nimmt.

Können Sie Effis Ausgeliefertsein nachvollziehen?
So ausgeliefert finde ich sie nicht. Es sind immer eigene Entscheidungen dabei. Daher würde ich eher sagen, dass sie stark von ihrer Umgebung geprägt wurde und Dinge einfach akzeptiert, weil sie sie vorgelebt bekommt und nie etwas anderes kennenlernte. Ich beobachte das bei Leuten meines Alters, bei denen die Eltern noch immer das Leben beeinflussen.

Zeitlos an dem Stoff ist sicher auch die Angst, aus einer unglücklichen Beziehung wegzugehen?
Der Konflikt mit gesellschaftlichen Konventionen wäre heute sicher nicht mehr so stark. Aber die Situationen und Gefühle, die sie durchlebt, sind für mich zeitlos. Wir duellieren uns nicht mehr. Aber dass wir aus Eifersucht Rache verlangen, dass man einen Betrug nicht verzeihen kann oder ein Mann den Geliebten seiner Frau umbringt, gibt es noch, weil die Gefühle, die dahinterstecken, zu uns gehören.

Sind Ihnen die freizügigen Liebesszenen leicht gefallen?
Die Hochzeitsnacht, die ja beinahe einer Vergewaltigung gleichkommt, war sicher unangenehmer, weil ich mich mit unangenehmen Gedanken und Gefühlen beschäftigen musste. Wenn dann eine Szene kommt, in der die Figur Glück und Freiheit spürt, ist das auch angenehmer zu drehen.

Fragen: Katharina Dockhorn