Gegner des neuen Nepal machen mobil

Expremier hat zum Sturm auf »maoistische Festung« geblasen / Überfall auf Politiker

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein bewaffneter Überfall auf den Privatsekretär des nepalischen Premiers Pushpa Kamal Dahal Prachanda in Katmandu wirft ein Schlaglicht auf die gegenwärtige Lage in der Himalaja-Republik.

Shakti Bahadur Basnet, die rechte Hand des Regierungschefs und ZK-Mitglied der regierenden Vereinten KP Nepals (Maoistisch), wurde am Montag nach Dienstschluss vor seiner Wohnung in der Hauptstadt niedergeschossen. Er liegt seither im Krankenhaus. Informationsminister Krishna Bahadur Mahara bewertete den Überfall als »Verschwörung konservativer Kreise«. Diese seien gegen einen dauerhaften Frieden, gegen den Wandel und gegen die neue Verfassung, die bis zum Mai 2010 ausgearbeitet werden soll. Premier Prachanda versicherte, die Regierung werde sich durch solche Anschläge nicht von ihrem Kurs abbringen lassen. Sie bleibe im Amt, bis die neue Verfassung vorliegt.

Die Attacke beweist, dass sich die Feinde des neuen Nepal – die Monarchie war im Mai 2008 abgeschafft worden – längst formiert haben. Nahezu täglich werden sie von der oppositionellen Partei Nepali Congress (NC) zu Aktionen ermutigt. Deren Chef, Expremier Girija Prasad Koirala, hat zum Sturm auf die »maoistische Festung« geblasen. Erst am Montag behauptete er, das Team um Prachanda, das erst seit September vorigen Jahres am Ruder ist, habe versagt. Er bezeichnete die Regierung als »untergehende Sonne«. Als Anlass für seine Attacken nahm er drei Verordnungen, die das Kabinett kürzlich beschlossen hatte. Sie enthalten Quoten für die Beschäftigung in staatlichen Einrichtungen für Frauen sowie für bislang vernachlässigte ethnische Gruppen, Kasten und Dalits (Kastenlose). Die neuen Regelungen haben zudem Personen, die während des »Volkskrieges« 1996 bis 2006 spurlos verschwanden, zum Gegenstand und beschäftigen sich mit neuen Wählerlisten.

Staatspräsident Ram Baran Yadav segnete die Dekrete am Dienstag ab. Dass diese von der Regierung »am Parlament vorbei« verabschiedet wurden, brachte die Opposition, allen voran den NC, auf die Barrikaden. Die Entscheidung belege den »Totalitarismus der Maoisten«. Subhash Nemwang von der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), die mitregiert, äußerte als Sprecher des Verfassungskonvents: »Diese Regierung will mit Dekreten auf dieselbe Art herrschen, wie es der König praktizierte.«

Auf NC-Initiative fand am Montag ein »Allparteientreffen« statt, an dem 22 von 24 Parteien teilnahmen. Es forderte die Einberufung einer parlamentarischen Sondersitzung, auf der das »Dekret-Problem« diskutiert werden soll. Premier Prachanda sieht darin eine Möglichkeit, die Verordnungen zu erläutern. Die Übergangsverfassung erlaubt der Regierung, mit Dekreten zu arbeiten, auch wenn das nicht gerade als Paradebeispiel demokratischen Handelns gilt.

Freilich ist mit einem solchen Makel auch die Führung der Streitkräfte behaftet, die gegen die Anweisung von Verteidigungsminister Ram Bahadur Thapa Badal einen Rekrutierungsplan umsetzte und 2800 Mann neues Personal anwarb. Und das vor dem Hintergrund der nach wie vor ungeklärten Eingliederung der ehemaligen maoistischen Guerilleros, die in Lagern kampieren, in eine » nationale Einheitsarmee«.

Der Zustand der inneren Sicherheit Nepals lässt sich auch an den zunehmenden Attacken auf Journalisten, Überfällen auf Redaktionen von Zeitungen und Radiosendern, Bedrohungen, Entführungen und Morden ablesen. Erst im Januar war in der südlichen Terai-Region die junge Radioreporterin Uma Singh in ihrer Wohnung in Janakpur von 15 Bewaffneten ermordet worden. Sie galt als unerschrockene Journalistin, die für Bürgerrechte und besonders für die Gleichberechtigung der Frauen eintrat.

Im Jahr 2008 gab es laut Angaben der Föderation der Nepalischen Journalisten 342 Fälle von Verletzungen der Medienfreiheit in Nepal. Seit 2002 seien 15 Journalisten getötet worden. In der vorigen Woche weilte deshalb eine internationale Medienmission in Nepal. Sie schätzte ein, die Pressefreiheit sei ernsthaft bedroht. Bei einer Begegnung mit Premier Prachanda verlangte die Delegation eine schnelle und unparteiische Aufklärung der Fälle von Mord und Entführung von Medienvertretern. Madhav Kumar Nepal, der Vorsitzende des Verfassungskomitees, versicherte der Mission, die neue Verfassung werde Pressefreiheit garantieren. Er befürwortete ein striktes Vorgehen gegen jene, die Journalisten angreifen oder anderweitig an ihrer Arbeit hindern.

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