Neues Sprichwort: Die Bahn beginnt am Kopf zu stinken

Staatskonzern auf Abwegen, Abgeordnete auf dem Holzweg und ein Bahn-James-Bond, der »zwecks Aufklärung« abgetaucht ist

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Gestern tagte der Verkehrsausschuss des Bundestages. Es ging um die Bespitzelung von DB-Mitarbeitern und vielen anderen, die irgendwie mit der Bahn zu tun haben. Vor der Tür hatte sich ein journalistisches Heerlager aufgebaut.
Karikatur: goodschool.de
Karikatur: goodschool.de

Als sich die Türen des Beratungssaales öffneten, war vor allem Kopfschütteln zu registrieren. Die Abgeordneten hatten mehrheitlich das Gefühl, von der Bahn auf einen Holzweg geschickt worden zu sein. Viel Zeit hatten die Abgeordneten ohnehin nicht, um den »Zwischenbericht Überprüfung der Ordnungswidrigkeiten von Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung in den Jahren 1998-2007«, den Bahnchef Mehdorn am Dienstagabend abgeliefert hatte, zu studieren. Eine Aufarbeitung des Spitzelproblems, so liest man darin, »war noch nicht abschließend zu leisten«.

Wichtiger als Ehrlichkeit scheint den Autoren des Berichts, dass sich »zunächst keine belastbaren Fakten, die auf datenschutzrechtliche oder gar strafrechtliche Verstöße hätten schließen lassen«, zu entdecken waren.

Wie vieles in dem Bericht ist diese Formulierung bewusst vage gehalten. Sollten Zweifler sich doch bis zur Seite 9 durchfressen, lesen sie, dass für »Datenabgleiche, aber auch für andere Compliance-Recherchen... auch Dritte als Dienstleister in Anspruch genommen« wurden. Was sind »auch andere« Recherchen? Und warum hat man sie quasi ausgegliedert? Unter anderem an die in andere Spitzelprojekte verwickelte Network GmbH.

Auf Seite 27 des Berichtes ist vermerkt, dass »die DB-Akten lückenhaft und daher die Network-Aufträge nicht in jedem Fall nachvollziehbar waren. Insbesondere wurde festgestellt, dass keine schriftlichen Aufträge existieren und nicht in allen Fällen Ergebnisberichte der Firma Network vorlagen.« Das geht in Ordnung – wenn man für die Mafia arbeit. Sogar die gescholtene Stasi war peinlich darauf bedacht, für alles und jeden eine Akte zu haben. Die Bahn verzichtete auf derlei »Bürokratie«. Und das hat seinen Grund.

Den ahnt man, wenn man die Seite 34 des erzwungenen Mehdorn-Berichtes studiert. Sie informiert über das Projekt »Kabeljau« und man liest: »Network übergab zunächst einen Bericht, der Geldbewegungen eines Kontos der Firma enthielt. Die Konzernrevision gibt an, diesen Bericht zurückgewiesen zu haben, da die Recherche solcher Daten nicht beauftragt gewesen sein.« Wie will man das wissen, wenn es doch keine schriftlichen Aufträge gab?!

Wer annimmt, dass die DB-Auftraggeber selbstverständlich nicht gelesen haben, was ihnen da Illegales auf den Tisch kam, sollte wissen, dass der Bahn-Bearbeiter das »zurückgewiesene Exemplar nicht vernichtet« hat.

Man mag einwenden, dass die Bahn berechtigterweise versuchte, Korruption zu bekämpfen. Doch immer nur im gesetzlichen Rahmen. Der Staatskonzern hat schließlich auch eine Vorbildfunktion. Doch mit der ist es nicht weit her. Beauftragte Firmen haben »Informationen über Kfz-Halter, Immobilien, Verwandtschaftsverhältnisse etc. beschafft und der DB zugänglich gemacht«. Man bestellte »Schriftstilgutachten« und legte dazu den Sachverständigen erschlichene, zum Teil private E-Mails der Verdächtigen vor.

Stutzig machen muss, dass die Bahn oder die von ihr Beauftragten offenbar ohne Schuldgefühl kriminelle Mittel angewandt haben, um möglicherweise kriminelle Taten aufzudecken. Ein Staatsunternehmen spielte ganz einfach Staat im Staate. Ohne die gesetzliche Befugnisse von staatlichen Strafverfolgern, die zudem oft richterlichen Beistand erbitten müssen.

Wer wie die Bahn Leute vom Bundeskriminalamt als Korruptionsfahnder einkauft, wer Firmen beauftragt, in denen Ex-Geheimdienstmitarbeiter – beispielsweise vom britischen MI 6 – arbeiten, muss man sich nicht wundern, wenn die Öffentlichkeit scheuen und alles, was sich codieren lässt, auch verschlüsseln. Und so liest sich die Auflistung der einzelnen DB-beauftragten Spitzel-Operationen wie das Register des BND-Archivs: »Eichhörnchen«, »Twister«, »Traviata«, »Rubens«, »Oregano«, »Perle«, »Holunder«, »Pamir« ... »Prometheus« folgte einer anonymen Anzeige, bei »Minotaurus« stellte man »Recherchen in Firmendatenbanken« an. Was sich dahinter verbirgt, hätte gestern vielleicht der Chef der DB-Konzernsicherung, Dr. Bähr, vor dem Verkehrsausschuss erklären können. Doch der DB-007 hat sich beurlaubt – um, wie es heißt, die Aufklärung nicht zu behindern.

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