Palette zum Schicksalsjahr 1989

Zentrale für politische Bildung bemüht sich vermutlich um Vielfalt der Sichten

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

20 Jahre ist die politische Wende in der DDR jetzt her, und eine Unmenge von Veranstaltungen wartet aus diesem Grund auf die Brandenburger. Im Unterschied zum üblichen offiziellen Angebot bei diesem Thema bietet das gestern präsentierte Programm immerhin Anlass zu der Vermutung, dass es diesmal nicht allzu einseitig wird.

Was die Landeszentrale für politische Bildung, der Museumsverband, die Reihe Kulturland Brandenburg und das Zentrum für Zeithistorische Forschung bei dieser Gelegenheit aufbieten, ist schon von der Fülle her überwältigend und offenbar generalstabsmäßig vorbereitet. Jede der Einrichtungen für sich hat ein raumfüllendes Programm entwickelt – in der Gesamtschau wird es geradezu unübersehbar. Ausstellungen, Foren, Vorträge, Filme, Feste – wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen?

»Wir schauen mal, wie es läuft und werden vielleicht nachjustieren, wenn es den Leuten zu viel wird«, sagte die Leiterin der Landeszentrale Bettina Weyrauch. Es gehe ihr um Perspektivenvielfalt, wobei sich die Organisatoren aber schon ausgerechnet haben, dass das »sehr belastend« werden kann.

Vor dem Hintergrund, dass auch die brandenburgische Gesellschaft bei diesem Thema tief gespalten ist, war es immerhin auffällig, dass kein Vertreter der Landesregierung zugegen war, als gestern das Mammutprogramm zum 20. Jahrestag vorgestellt wurde. Vor einigen Monaten wurde gerade brandenburgischen Schülern der Vorwurf gemacht, zu wenig und vor allem das Falsche über die DDR zu wissen. Die CDU reagierte darauf mit der Forderung nach mehr Schulung und nach einer Ausweitung des Themas im Unterricht. Doch gibt es in der Landesregierung offenbar auch andere Auffassungen. Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) sprach sich dagegen aus, platt aufzustocken. Weniger in der Schule, mehr im Elternhaus würden hier die entscheidenden Prägungen stattfinden.

Weyrauch warnte gestern davor, der Schule »zu viel aufzubürden«. Administrativ verhängte Veranstaltungen »haben oft eine andere Wirkung auf die Schüler als die beabsichtigte«. Insofern gehe es beim Gedenkprogramm weniger um »Staatsbürgerkunde«, sondern um einen breit angelegten Gedankenaustausch, fügte sie hinzu. Beispielweise soll eine Gesprächsrunde zwischen Menschen organisiert werden, die am 9. November 1989 oder am 9. November 1949 geboren wurden. Zur Sprache kommen soll an einer Stelle ein Vergleich dazu, wie Südafrika mit seiner Vergangenheit umgeht und wie Deutschland mit der DDR-Vergangenheit.

Das Institut für zeithistorische Forschung nutzt nach den Worten von Irmgard Zündorf die Gelegenheit, »zu einer kritischen Reflexion der bisherigen Aufarbeitung anzuregen«. Ob der friedliche Umschwung vor 20 Jahren eine Wende, eine Revolution, eine Konterrevolution oder etwas ganz anderes war, soll in der einjährigen Auseinandersetzung nicht vorgeschrieben werden.

www.zeitgeschichte-im-

museum.de, »www.politische-

bildung-brandenburg.de

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal