Mehdorn provoziert Untersuchungsausschuss

Bahn-Spitzelskandal vor Verkehrspolitikern – Abgeordnete fühlen sich abermals brüskiert

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Missgelaunt beendeten gestern die Abgeordneten des Bundestags-Verkehrsausschusses die zum Thema DB-Spitzelaffäre anberaumte Sitzung. Neues haben sie nicht erfahren.

Der Grünen-Abgeordnete Winfried Herrmann war tief verärgert. Er ist überzeugt: Die Bahn will gar nichts aufklären. Der CSU-Verkehrspolitiker Hans-Peter Friedrich bewertete die Ausschusssitzung als »höchst unergiebig«. Die Union griff Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) an, der zu lange mit der Aufklärung gewartet habe. »Jetzt entscheidet Bahnchef Mehdorn schon, wen wir vor dem Ausschuss hören dürfen. Brüskierung!«, schimpfte ein Mann der SPD über das Fehlen des Leiters der DB-Konzernrevision, Josef Bähr. Der sei beurlaubt, ließ der Konzern mitteilen.

Im ersten Anflug der Wut wurde über Konsequenzen geredet. Dorothee Menzner, Verkehrsexpertin der Linksfraktion, konstatierte, Mehdorns Rücktritt sei nicht mehr aufzuhalten. »Entweder er ist unfähig oder er lügt. Wahrscheinlich ist von beidem etwas dabei.« Auch die meisten der 119 Fragen des Verkehrsausschusses wurden auch nach Ansicht von FDP-Vertretern nicht ausreichend beantwortet.

Enak Ferlemann, für die Union im Ausschuss, erhielt dem Vernehmen nach abenteuerliche Antworten über die verhinderte Information des Betriebsrates. Offenbar hat die Bahn das Betriebsverfassungsgesetz völlig ausgeblendet.

Die Deutsche Bahn dagegen tat ungerührt und sicherte abermals Aufklärung zu. Wenn sich dabei strafrechtliche Verstöße bestätigen sollten, werde dies »Konsequenzen« haben, sagte Bahnvorstand Otto Wiesheu nach gut dreistündigen Befragungen. Dabei hatte er sich hinter seinen Konzernchef Mehdorn gestellt, der nichts von den umfassenden Datenermittlungsaktionen gewusst habe. Wiesheu sagte, jetzt sei die Prüfgesellschaft KPMG beauftragt, die Vorgänge aufzuklären. Er hoffe, dass die Ergebnisse in der zweiten März-Hälfte vorliegen. Ob der seltsam eilig beurlaubte Bähr zumindest für die konzerninterne Aufklärung zur Verfügung stehe, konnte Wiesheu nicht sagen.

Dorothee Menzner hat wie viele ihrer Abgeordnetenkollegen Zweifel am Aufklärungswillen der Bahn. Es mache keinen Sinn, wenn der Ertappte seine eigenen Verfehlungen untersuchen und darstellen soll. Für die LINKE besteht kein Zweifel, »dass wir einen Untersuchungsausschuss brauchen. Doch damit die Aufklärung redlich erfolgen und nicht für Wahlkampfgeklingel missbraucht werden kann, sollte dessen Arbeit erst in der kommenden Legislaturperiode beginnen.«

Menzner glaubt, dass sich dafür durchaus eine parlamentarische Mehrheit formieren lässt, sollte die Bahn »weiter mauern«. Öffentliche Unternehmen hätten, so Menzner, eine Vorbildfunktion. »Wie soll ich Lidl Spitzelei vorwerfen, wenn der Staatskonzern ähnliche Methoden anwendet, wenn der interne Sicherheitsdienst der DB nächtens durch Büros der Mitarbeiter schleichen und alles durchsuchen darf?«

Parteiübergreifend forderten die Ausschussmitglieder, dass Bahnchef Hartmut Mehdorn gemeinsam mit dem Chef der Konzernrevision Bähr zur nächsten Ausschusssitzung erscheint. Das, was die Bahn als bisherige Erkenntnisse vorgelegt hat, sei, so meinte auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, nur eine »überschlägige Information«.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wandte sich gegen vorschnelle Urteile in der Affäre. Die Regierungschefin halte es für unangemessen zu spekulieren, wie die Bewertung ausfallen könnte, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg.

Angesichts der Datenaffäre bei der Deutschen Bahn befürchtet die Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dass auch Kundendaten überprüft wurden.

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