Friedliche Koexistenz

  • Artur Spengler
  • Lesedauer: 5 Min.
Friedliche Koexistenz

Aus Linker Sicht geht es nicht um die Frage »entweder« – »oder«, sondern um eine verantwortungsvolle Koexistenz beider Produktionsweisen. In welchen Relationen sich die biologisch-ökologische und die konventionelle Landwirtschaft entwickeln, muss in jedem Land souverän entschieden werden, und zwar durch die Bauern und die Verbraucher. Die Sicherung der Welternährung bei wachsender Bevölkerung und Nachhaltigkeit in ihrer Einheit von sozialen, ökologischen und ökonomischen Erfordernissen sind für uns als LINKE die wichtigsten Maßstäbe.

Die Vertreter der biologisch-ökologischen Landwirtschaft nehmen für sich in Anspruch, dass man mit dieser Produktionsweise für alle Menschen auf der Welt ausreichend Nahrungsmittel erzeugen kann, dass diese Produkte gesund sind und ihre Herstellung keine negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt haben. Zweifellos spricht für die alternative Landwirtschaft, dass sie auf den Einsatz solcher Produktionsmittel wie leicht löslicher mineralischer Düngemittel (Stickstoff) und chemisch synthetischer Pflanzenschutzmittel verzichtet. Das senkt nicht nur die Produktionskosten, sondern fordert weniger Vorleistungen von der Industrie, die mit viel Energieaufwand und damit auch mit Belastungen der Luft verbunden sind. Vorteilhaft ist weiter, dass die einzelnen Formen der ökologischen Landwirtschaft sich zum Ziel gesetzt haben, strengere Produktionsrichtlinien einzuhalten. Daher kann man unterstellen, dass die alternative landwirtschaftliche Produktion nicht nur mindestens so gründlich wie die herkömmliche, sondern noch gewissenhafter auf ihr Verhalten im Naturprozess kontrolliert wird.

Ist die angeblich höhere Qualität der Erzeugnisse des ökologischen Landbaus bewiesen? Trifft weiter zu, dass sich die ökologische Landwirtschaft besser auf den Boden auswirkt? Exakte wissenschaftliche Beweise sind dafür bis jetzt nicht erbracht worden.

Während unter guten Produktionsbedingungen bei intensiver konventioneller Landwirtschaft großflächig Hektarerträge von 100 Dezitonnen (dt) und mehr bei Getreide, von 400 bis 500 dt bei Kartoffeln und von 600 bis 700 dt bei Zuckerrüben erreicht werden können, liegt das Ertragsniveau der alternativ produzierten Pflanzen infolge des fehlenden Stickstoffdüngers und des eingeschränkten Pflanzenschutzes nur etwa bei 50 bis 60, selten bei 70 Prozent dieses Ertragsniveaus. Wenn es also darum geht, alle Menschen auf der Erde ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen und darüber hinaus die Belange der Rohstofferzeugung für die Industrie zu erfüllen, dann kann das bei der laufend wachsenden Bevölkerungszahl mit Sicherheit nicht durch eine Landwirtschaft mit vorwiegend alternativer Betriebsweise realisiert werden.

Hinzu kommt, dass die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche in vielen Ländern zurückgeht. So in Deutschland. Hier verlieren wir zur Zeit täglich rund 100 Hektar der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch Bebauungsmaßnahmen der unterschiedlichsten Art. Andererseits gibt es nur relativ wenige Territorien auf dieser Erde, die zusätzlich als landwirtschaftliche Nutzflächen in Betrieb genommen werden können. In allen Zonen der Erde, die über ähnliche klimatischen Bedingungen wie Deutschland verfügen, sind wir gefordert, den größtmöglichen Ertrag, bei gleichzeitig möglichst schonender Ausnutzung der Ressourcen, zu erzeugen. Bekanntlich wächst die Weltbevölkerung jährlich etwa um 80 Millionen Menschen an. Der Umstand erhöht den Druck auf die steigende Nahrungsmittelerzeugung.

Es ist sicherlich richtig, dass Länder, in denen zur Zeit noch keine ausreichende industrielle Produktion von Mineraldüngern und chemischen Pflanzenschutzmitteln erfolgt und genügend Arbeitskräfte vorhanden sind, nicht im europäischen Sinne intensiv und mit Einsatz von chemischen Produktionsmitteln produziert wird, sondern hier eine alternative Produktionsweise stattfindet. Dafür sollten aber alle anderen ertragsstärkenden Faktoren eingesetzt werden, um entsprechend höheren Nutzen zu erzielen.

Für die Lösung der Ernährungsprobleme in den armen Ländern ist die Steigerung der Produktion von Nahrungsmitteln unerlässlich. Ohne Produktivitätssteigerung, auch mit Hilfe von Düngung, Mechanisierung und Bewässerung, geht das nachweislich nicht. Für uns ist es wichtig, dass diese Produktion mit allen Bauern auf dem Land erfolgt und nicht in den Plantagen großer internationaler Konzerne! Ob das dann biologisch oder konventionell erfolgt, ist für die Hungernden zweitrangig.

In den Ländern mit überwiegend konventioneller Agrarproduktion geht es darum, auch diese Pro-duktionsweise ökologischer zu gestalten. Jeglicher unnötiger Einsatz von chemischen und anderen Mitteln hat zu unterbleiben. Unkräuter, Schädlinge und Krankheiten dürfen nur in dem Umfang mit chemischen Mitteln bekämpft werden, wie das unbedingt erforderlich ist. Es sollten nur Mittel eingesetzt werden, die für Umwelt und die Menschen den geringstmöglichen Grad einer nachteiligen Beeinflussung haben. Diese Grundsätze befolgt die integrierte intensive Landwirtschaft in Deutschland.

Bei aller Wertschätzung für den ökologischen Landbau kann es gegenwärtig nicht darum gehen, ihn überwiegend und durchgreifend durchzusetzen. Die ordentliche Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln erfordert primär die auf hohem Niveau stehende konventionelle Wirtschaftsweise, wie sie in Deutschland überwiegend praktiziert wird. Biologisch-ökologische Produktion sollte entsprechend der Marktnachfrage betrieben werden. Die Umstellung von konventioneller auf alternative Agrarproduktion muss auch weiterhin gefördert werden. Auf jeden Fall ist es erforderlich, dass sich die Agrarforschung stärker dem ökologischen Landbau zuwendet. Eine Erhöhung der Erträge, Ertragssicherheit, Unkraut- und Schädlingsbekämpfung sind die wichtigsten Themen für diese Forschung. Konventionelle Landwirtschaft und alternative Wirtschaftsweisen sollten in dieser Hinsicht gleichbehandelt werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Agrarpolitik/ländlicher Raum beabsichtigt in ihrer nächsten Tagung am 28. März, sich intensiv mit diesen Fragen zu befassen.

Dr. Artur Spengler, Jahrgang 1930, arbeitete als Honorardozent am Institut für Betriebswirtschaft an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg. In der DDR war er langjährig als Direktor landwirtschaftlicher Staatsbetriebe tätig. Artur Spengler ist Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Agrarpolitik/ländlicher Raum beim Parteivorstand DIE LINKE und dort zur Zeit Vorsitzender des Sprecherrates.

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