nd-aktuell.de / 20.02.2009 / Kultur / Seite 11

Der Schelm

Heinz Erhardt 100

Hans-Dieter Schütt

Der Humorist steht im Schatten des Komikers, der Scherz fühlt sich minderwertig gegenüber dem Witz – Heinz Erhardt (Foto: dpa) war der große Versöhner des bloßen lächelnden Unernstes mit dem bissigen Kabarett, des wärmenden Spaßes mit der kaltschnäuzigen Satire. Beleibtes, beliebtes Mittel-Maß. Er war himmlisch höllisch, garstig gutgelaunt; die Trockenleger aller Sprachlebendigkeit drehten sich im Grabe herum, wenn er die Worte mit der Intelligenz des pfiffig unablässigen Erfinders im Munde herum drehte. Die Straßenbahnfahrt als Metapher fürs menschliche Miteinander: »Wir fuhren einst zusammen/ tagtäglich mit der ›Zehn‹/ jetzt fahren wir zusammen,/ wenn wir uns wiedersehn!«

Heute vor hundert Jahren wird er geboren, wächst hauptsächlich in Riga bei den Großeltern auf. Erste autobiografische Notiz: »Schule wenig erfolgreich.« Ist in den Kriegsjahren (der Nichtschwimmer und Brillenträger wird zur Marine eingezogen) lustiger Truppenbetreuer, tingelt als »singendes Schnellsprech-Talent« durch die Zeiten. Blödelei und Nonsens, gepaart mit liebenswerter Bärbeißigkeit, finden Wege in den Rundfunk, in den Film, ins Fernsehen. Verdutzt-überforderter Biedermann, plustrig-rachsüchtiger Buchhalter Willy Winzig, trottlig erziehungsbeflissener Familienvater – er wird Deutschlands erster Schelm, mit klarer Philosophie: »Ich wälze nicht schwere Probleme/ und spreche nicht über die Zeit./ Ich weiß nicht, wohin ich dann käme,/ ich weiß nur, ich käme nicht weit.«

1979 stirbt Heinz Erhardt, 1971 hatte er einen Schlaganfall erlitten. Ein wahrer Schlag: Ausgerechnet ihn strafte das Schicksal mit achtjähriger, unabänderlicher Sprach- und Schreibunfähigkeit. »Die alten Zähne wurden schlecht,/ und man begann, sie auszureißen,/ die neuen kamen grade recht,/ um mit ihnen ins Gras zu beißen.«

Das große Heinz-Erhardt-Buch. Erweiterte Sonderausgabe. 400 S., geb. 12,95 Euro; Rainer Berg, Norbert Klugmann: Heinz Erhardt – Die Biografie. 360 S., geb., 19,95 Euro. Beide Bücher im Lappan Verlag Oldenburg.