nd-aktuell.de / 20.02.2009 / Politik / Seite 12

Die Qual der Terminwahl

Am 28. März und am 16. Mai soll gegen die Abwälzung der Krisenlasten demonstriert werden

Peter Nowak
»Wir zahlen nicht für eure Krise«. Unter diesem Motto ruft ein außerparlamentarisches Bündnis für den 28. März zu Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main auf (ND berichtete). Die Einzelgewerkschaften sind dabei – auch wenn deren Spitzen nicht mobilisieren.

»Wenn sich jetzt die Folgen der Krise verstärkt mit Kurzarbeit und Werksschließungen in den Betrieben bemerkbar machen, ist Gegenwehr der Gewerkschaften wichtig«, sagt der Vorsitzende von ver.di-Stuttgart, Bernd Riexinger. Mit dieser Ansicht steht er unter Gewerkschaftsmitgliedern nicht alleine. Seit mehreren Monaten gab es Initiativen für die Organisation einer großen Demonstration gegen die Abwälzung der Krisenlasten.

In diese Planungen waren Gewerkschafter von Anfang an einbezogen. Bis vor wenigen Wochen sah es auch noch so aus, als würde dieses Mal ein ganz großes Protestbündnis mit Beteiligung der Einzelgewerkschaften zustande kommen. Schließlich war auf einem Treffen von Gewerkschaften, Umweltverbänden und globalisierungskritischen Initiativen Mitte Januar in Paris, zu dem unter anderen auch der ver.di-Chef Frank Bsirske eingeladen hatte, der 28. März als Protesttag festgelegt worden.

Doch am 19. Januar beriet der ver.di-Bundesvorstand über die Demonstrationen und entschied sich gegen die Unterstützung des breiten Bündnisses. In einem ND vorliegenden Schreiben von Bsirske an die ver.di-Untergliederungen heißt es zum 28. März: »Der Bundesvorstand wird zu diesen Demonstrationen nicht aufrufen, auch weil wir es nicht für realistisch halten, binnen eineinhalb Monaten zweimal zu zentralen Demonstrationen in Berlin zu mobilisieren.« Stattdessen wolle man alle Kraft in die vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) beschlossenen Demonstrationen am 16. Mai in verschiedenen europäischen Hauptstädten einsetzen. Das Datum ist bewusst in die zeitliche Nähe zu den Europawahlen gelegt. Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Günter Isemeyer erklärte, dass der Termin das »Ergebnis der Koordination mit allen beteiligten Gewerkschaften in den unterschiedlichen Ländern« gewesen sei. Er hält zwei Mobilisierungen innerhalb so kurzer Zeit zum gleichen Thema zwar nicht für sinnvoll, sieht aber keine Konkurrenz. »Zwei Demonstrationen bergen weder die Gefahr der Zersplitterung noch bedeuten sie die Abkehr von der bisherigen ver.di-Politik«, so Isemeyer. »Bis die Straße kocht«, titelt die ver.di-Zeitung publik treffend in ihrer aktuellen Ausgabe.

Auch Riexinger geht mit beiden Terminen pragmatisch um. Den 28. März sieht er als Auftakt. »Eine Woche danach sind europaweite Demonstrationen gegen den NATO-Gipfel geplant. Dann ist der 1. Mai und dann die europaweiten Demonstrationen am 16. Mai.« Zudem habe sich schon oft gezeigt, dass auch ohne Unterstützung der Gewerkschaftsspitze große Proteste entstehen könnten.

Doch der gewerkschaftliche Alleingang sorgt auch für Unmut. Eine gemeinsame Mobilisierung hätte die auf Europäischen Sozialforen und anderen internationalen Treffen beschworene Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen mit Leben erfüllt, so ein Berliner Attac-Mitglied gegenüber ND.