nd-aktuell.de / 20.02.2009 / Politik / Seite 5

Stumme Zeugen im Bandenkrieg von Kiel

Bekannter Neonazi nach Messerattacke frei

Dieter Hanisch, Kiel
Eine Räuberpistole ist es, die am Donnerstag vor dem Kieler Landgericht verhandelt wurde. Ein Neonazi stand wegen einer Messerattacke vor Gericht. Das Opfer war ein Motorrad-Rocker. Im Umfeld finden sich Spuren von Einschüchterung und Gewalt.

Der frühere NPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Peter Borchert, ist am Donnerstag vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen worden. Die Anklage: Er habe im August letzten Jahres vor dem Amtsgericht Kiel auf zwei Männer eingestochen, die der Hells Angel’s-Szene zugerechnet werden. Die Staatsanwaltschaft hatte fünfeinhalb Jahre Haft gefordert, die Borchert-Verteidiger Christian Bangert (selbst NPD-Mitglied in Kiel) und Horst Terjung (Köln) plädierten auf Freispruch.

Im Prozess hatte Borchert beharrlich geschwiegen. Der Haftrichterin jedoch hatte der 35-Jährige seinerzeit gestanden, das Messer in Nothilfe eingesetzt zu haben, um einem Freund zu Hilfe zu kommen. Das Gericht zweifelte zwar am Wahrheitsgehalt dieser Aussage, doch entschied es aus Mangel an Beweisen zugunsten des Angeklagten.

Hintergrund des Konflikts zwischen der Rocker-Gruppierung und einer Gruppe von Neonazis sollen Schulden eines Rechtsradikalen sein, für die dieser Prügel einsteckte. Daraufhin rächte dessen Bruder ihn im März 2007 mit einem lebensgefährlichen Messerstich in einer Diskothek. Diese Tat sollte im August 2008 vor dem Amtsgericht in Kiel verhandelt werden, doch noch vor dem Gerichtsgebäude lieferten sich beide Lager eine Massenschlägerei. Dort wurde auch Borchert als einer der mutmaßlichen Rädelsführer festgenommen. Bei dem Tumult vor Gericht war zumindest einer der führenden Köpfe der Hells Angel’s durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt worden. Er überlebte dank einer Notoperation.

Die Tat bleibt ungeklärt, Beteiligte verweigerten die Aussage, die Darstellungen anderer waren widersprüchlich. Ein Zeuge aus der rechten Szene, der beharrlich schwieg, wies sichtbare Blessuren im Gesicht auf. Vor der Polizei hatte er Borchert zuvor belastet. Vom Kampf hinter den Kulissen zeugen Schüsse auf einem Parkplatz, mit denen unmittelbar vor Prozessauftakt ein Zeuge aus dem rechtsradikalen Spektrum von zwei Maskierten niedergestreckt und schwer verletzt wurde. Bis heute ist kein Täter gefasst.