Am Ende liegt vielleicht ein Anfang

Klinik in Eisenhüttenstadt betreut Suchtkranke / 54 000 Alkoholkranke in Brandenburg

  • Lesedauer: 2 Min.

(dpa/ND). Das blasse Gesicht zeigt wenig Regung, fahrige Hände ringen mit Besteck und Teeglas. Es ist Mittagszeit auf der PS 3, der Station für Abhängigkeitserkrankungen und Gerontopsychiatrie im Städtischen Krankenhaus Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). Wer hierher zur Entgiftung kommt, vermag nicht mehr zu täuschen, ist im akuten Entzugszustand zusammengebrochen oder folgt dem Rat von Suchtberatern, weil Arbeitgeber oder Familie mit Konsequenzen gedroht haben.

Bis zu diesem Schritt dauert es in den meisten Fällen lange. Verheimlichung durch den Betroffenen und Verdrängung seitens Familie und Freunden greifen ineinander und sorgen dafür, dass die gefährliche Sucht erst spät erkannt wird. Deswegen ist es das Ziel, »die Kranken früher zu erreichen«, betont die Suchtbeauftragte Brandenburgs, Ines Kluge. »Nach wie vor stellt Alkohol das größte Suchtproblem in Brandenburg dar«, sagt Kluge. »Zu etwa 54 000 Abhängigen kommen rund 280 000 ›Missbraucher‹, daneben gibt es 35 000 Medikamentenabhängige.

Wissenschaftler sind sich einig, dass es keine typischen Suchtpersönlichkeiten gibt. Eine Sucht kann durch unterschiedlichste Einflüsse ausgelöst werden. Beruflich und privat erfolgreiche Menschen können genauso betroffen sein wie Arbeitslose oder Rentner: Oft führt gewohnheitsmäßiger Alkoholkonsum oder häufige Tabletteneinnahme in die Sucht; die Droge wird erst zur Gewohnheit, dann zur alltäglichen Notwendigkeit.

Der Entzug allein reiche jedoch nicht aus, so Stationsarzt Normann Kublik. In Gesprächen wird die Entstehung der Sucht nachvollzogen. Kublik spricht von einer Rückschau, die Krankheiten, psychische Besonderheiten und soziale Umstände berücksichtige. Der schmale Pfad aus der Abhängigkeit beginnt beschwerlich: Komplikationen, wie Krampfanfälle, Psychosen oder Kreislaufkrisen können zwar medikamentös begrenzt werden. Dennoch wehren sich Körper und Psyche dagegen, den gewohnten Zustand zu verlassen. Um motorische Schwächen aufzufangen und die Psyche der Kranken zu stabilisieren, haben Musik- und Ergotherapie, Gruppengespräche einen festen Platz im Tagesablauf. Enge Bezugspersonen werden in die Therapie einbezogen.

Zehn Tage bis vier Wochen bleiben die Suchtkranken nach Kubliks Worten auf der Station. Ihr Aufenthalt endet mit der Empfehlung für die Anschlussbehandlung in einer Suchtklinik, bei der Suchtberatung, durch die Mitarbeit in einer Selbsthilfegruppe oder eine Psychotherapie. »Das klingt jetzt ziemlich optimistisch«, sagt Kublik und mindert übergroße Erwartungen. »Bei vielen Abhängigen reicht ein Entgiftungsaufenthalt nicht aus, denn auch der Rückfall gehört zum Krankheitsbild. Dann sind wir da und beginnen aufs Neue.«

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