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Biologie im Widerspruch

Vor 175 Jahren wurde Ernst Haeckel geboren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 2 Min.

Kaum ein anderer deutscher Wissenschaftler hat im 19. Jahrhundert so viel öffentliches Aufsehen erregt wie Ernst Haeckel. Denn der Sohn eines Juristen, der am 16. Februar 1834 in Potsdam geboren wurde und später als Zoologieprofessor an der Universität Jena lehrte, war ein glühender Anhänger Charles Darwins. Bereits 1863 vertrat Haeckel die These, dass der Mensch von affenartigen Säugetieren abstamme. In der Sache zwar pflichtete Darwin seinem deutschen Kollegen bei, riet diesem aber, sich im Ton zu mäßigen, um nicht noch mehr Ärger zu verursachen.

Doch Haeckel war nicht zu bremsen und von der Idee beseelt, den Evolutionsgedanken auch auf nicht-biologische Bereiche zu übertragen. Dass er hierbei immer wieder rassistische Anschauungen kolportierte, trug nicht unwesentlich dazu bei, Darwins Lehre als Ganzes in Verruf zu bringen. Zum Beispiel schrieb Haeckel, dass der Kampf ums Dasein die Völker unwiderstehlich vorwärts treibe und zu höherer Kultur führe. Aber auch von »niederen (dunkelhäutigen) und höheren (weißen) Menschenrassen« ist bei ihm die Rede.

Dies zu verschweigen, wäre gewiss unredlich. So wie es unredlich wäre, Haeckel ausschließlich zum Sozialdarwinisten und Rassisten zu stempeln, wie es heute nicht selten geschieht. Denn erstens verfasste er beachtliche Arbeiten zur Morphologie und Embryologie. Und zweitens war er im besten Sinne des Wortes ein Aufklärer. Das heißt, er half vielen Menschen, sich von überkommenen klerikalen Weltbildern zu befreien, indem er sie unter anderem dazu anregte, sich näher mit der Darwinschen Evolutionstheorie zu beschäftigen. 1899 veröffentlichte Haeckel sein populäres Buch »Die Welträtsel«, das in 30 Sprachen übersetzt wurde und als eine Art Bibel des Monismus galt. Nach dieser Lehre reicht für die Erklärung der Welt ein einziges Prinzip aus, welches namentlich die cartesianische Trennung von Geist und Materie überflüssig macht.

Im Unterschied zu dem eher duldsamen Darwin fand Haeckel scharfe Worte gegen die Religion und forderte, den konfessionellen Unterricht aus den Schulen zu verbannen. Lediglich eine vergleichende Religionsgeschichte hielt er als Lehrgegenstand für zweckmäßig. 1904 ließ Haeckel sich in Rom sogar zum »Gegenpapst« küren; zwei Jahre später wurde auf seine Initiative hin in Jena der Deutsche Monistenbund gegründet. Aber Haeckel war nicht nur einer der führenden Freidenker seiner Zeit. Er unterstützte auch die damals aufstrebende Friedensbewegung und vertrat pazifistische Ideen. Allerdings rückte er davon wieder ab, als 1914 der erste Weltkrieg begann. Wie viele Deutsche verfiel er in eine nationalistische Euphorie und unterzeichnete gemeinsam mit 92 anderen Intellektuellen den kriegsbejahenden »Aufruf an die Kulturwelt«. Haeckel starb am 9. August 1919 in Jena.

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