CO2-Speicher auf Kosten des Steuerzahlers?

Gemeinsamer Entwurf von Wirtschafts- und Umweltministerium zur umstrittenen CCS-Technologie vorgelegt

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: 3 Min.
Umwelt- und Wirtschaftsministerium ringen seit Dezember um einen rechtlichen Rahmen für die umstrittene CCS-Technologie, mit der man CO2 aus Kohlekraft unter die Erde verpressen will. In dieser Woche haben sie sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf geeinigt. Strittig ist aber noch, wie lange Energiekonzerne haften sollen und was eigentlich Leckagen sind.

Energieversorger und Bundesregierung setzen auf CCS (CO2 Capture and Storage – Abscheidung und Lagerung von Kohlendioxid). Damit will man klimaschädliches CO2 aus Kohlekraftwerken unterirdisch lagern. So soll Kohlestrom »sauber« werden. Es fehlt jedoch ein gültiger Rechtsrahmen für Transport und Einlagerung des CO2. Bisher legten Bundesumwelt- (BMU) und Wirtschaftsministerium (BMWi) je einen eigenen Entwurf vor. Mit der gemeinsamen Vorlage haben beide Ressorts jetzt deutlich gemacht, dass sie den Rechtsrahmen noch in dieser Legislaturperiode verabschieden wollen.

Doch noch immer sind grundlegende Fragen nicht abschließend geklärt. Streit gab es in der Vergangenheit vor allem darüber, wer die Federführung des Gesetzes übernehmen soll. Ginge es allein nach dem BMWi, sollte das CCS-Recht auf dem Bergrecht beruhen. Suche und Genehmigung der CO2-Lagerstätten sollten dementsprechend dem Institut für Geowissenschaften übertragen werden. Das BMU hingegen sah sich selbst in der Pflicht, da es sich um ein Klimaschutzanliegen handele. Die zentrale Zuständigkeit sollte das Umweltbundesamt (UBA) haben. Im gemeinsamen Entwurf zeichnet sich eine Federführung der Bundesanstalt für Geowissenschaften ab, die aber ihre Analysen »gemeinsam mit dem Umweltbundesamt bewerten« will, wie es in einer Pressemitteilung des BMWi heißt.

Dass sich beide Entwürfe in den letzten Wochen annähern konnten, ist vor allem der EU-Richtlinie zu CCS geschuldet, die im Dezember verabschiedet wurde. In dieser ist festgeschrieben, dass der Betreiber mindestens 20 Jahre nach der Schließung eines CO2-Speichers die Anlage überwachen und für sie haften muss. Das BMWi-Papier sah dagegen vor, die Konzerne gleich nach der Schließung eines CO2-Speichers von jeglicher Verantwortung freizusprechen. Haften sollte ab dem Zeitpunkt der Steuerzahler. Das ist auch im jetzigen Entwurf festgeschrieben, die Regelung soll allerdings noch an die EU-Richtlinie angepasst werden. Erstaunlich ist allerdings, warum selbst das BMU nicht über die 20 Jahre hinausgeht. Nach Meinung vieler Umweltorganisationen sind zwei Jahrzehnte nicht ausreichend. Immerhin verfällt CO2 nicht – im Gegensatz zu Atommüll. Einige Umweltpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion haben sich nun eingeschaltet und fordern eine mindestens 100 Jahre fortlaufende Haftung der Betreiber.

Der gemeinsame Entwurf lässt zudem auch Enteignungen für CCS-Lagerstätten zu. Das Bergrecht, auf das sich das BMWi beruft, bricht im Falle von Enteignungen das Grundgesetz. Schon jahrzehntelang werden neue Tagebaue gegen den Willen von Grundstückseignern erschlossen. Auch bei CCS soll das Praxis werden: In dem BMWi-Vorschlag hieß es: »Dienen die Errichtung und der Betrieb der Ablagerungsstätte dem Wohl der Allgemeinheit, ist die Enteignung zulässig.« Der BMU-Entwurf fügte an, dass eine Enteignung zulässig sei, wenn sie »einen nachhaltigen und wirksamen Beitrag zum allgemeinen Klimaschutz leistet«. Dies sei gegeben, da CCS als Klimaschutzinstrument definiert wird.

Alle vorliegenden Entwürfe enttäuschen auch bei der Frage der Leckagen – also dem ungewollten Austritt von CO2. Das BMWi forderte, dass »wesentliche Unregelmäßigkeiten« der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen seien. Unklar bleibt, was »wesentlich« heißen soll. Auch beim BMU ist diese Formulierung nicht genauer. Das erstaunt, hatte doch das UBA 2006 in einem Gutachten eine maximale Leckagerate von 0,01 Prozent pro Jahr gefordert. Umweltorganisationen wie Greenpeace fordern schon seit Längerem feste Grenzwerte, da schon kleine Lecks fatale Folgen haben können.

Widerstand gegen zentrale Punkte der Papiere haben einige SPD-Abgeordnete angemeldet: In einem internen Beschluss verlangen sie, Genehmigungsverfahren transparenter zu machen und keine verkürzten Verfahrenswege zuzulassen. Dazu wollen sie einen eigenen Entwurf vorlegen. Viel Zeit bleibt ihnen nicht – das Bundeskabinett soll am 11. März über die Vorlage entscheiden.

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