Reiche unwillig beim Teilen

Wohlhabende sächsische Kommunen klagen gegen Umverteilung

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehrere wohlhabende Kommunen in Sachsen klagen beim Verfassungsgericht des Freistaats gegen eine »Reichensteuer«, dank derer sie ihre Einnahmen mit armen Orten teilen sollen.

In der Grundschule Boxberg müssen die Schüler für ihr Mittagessen nicht bezahlen. Die soziale Wohltat kann sich die Gemeinde im Osten Sachsens leisten, weil ihre Kassen üppig gefüllt sind: Ein Kohlekraftwerk sorgt für hohe Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die auch rege Bautätigkeit im Ort oder am benachbarten Bärwalder See ermöglichen, einer früheren Kohlegrube, die zum Badesee wird.

Doch das Füllhorn, das der Bürgermeister Roland Trunsch derzeit noch über seiner Gemeinde ausschütten kann, hat ein Leck. Geschlagen hat es der Freistaat. Gemäß einer im November im Landtag beschlossenen Regelung zahlen wohlhabende Kommunen seit Januar eine Umlage im Rahmen des Finanzausgleichs, deren Erlös ärmeren Gemeinden im Land zugute kommen soll. Die »Reichensteuer« beträgt zunächst 30 Prozent der Einnahmen, die über dem vom Finanzministerium errechneten Bedarf der Gemeinde liegen; in den beiden Folgejahren steigt sie bis auf 50 Prozent. Insgesamt geht es um gut 25 Millionen Euro.

Die 29 betroffenen Gemeinden indes wollen das Leck schnellstmöglich stopfen – zumindest teilweise. Gestern reichten 22 von ihnen eine Klage beim Verfassungsgericht in Leipzig ein. Als Rechtsbeistand tritt pikanterweise Klaus Hardrath auf, der bis 2002 Innenminister des Freistaats war. Der Anwalt hält die geltende Regelung für »verfassungsrechtlich nicht haltbar«, unter anderem, weil die Verschuldungssituation nicht berücksichtigt werde. Zudem seien 50 Prozent schlicht zu viel. Hardrath verweist auf das Nachbarland Sachsen-Anhalt, wo es – neben Niedersachsen und Schleswig-Holstein – eine vergleichbare Steuer gibt, aber höchstens 30 Prozent abzuführen sind.

Die derzeit geltende Klausel, von Kritikern als »Abschöpfungsregel« gegeißelt, bringt einige Kommunen tatsächlich in die Bredouille. Zitiert wird das Beispiel von Neumark im Vogtland, wo ein bereits geplanter Schulanbau wegen der Abgabe nun über Kredite finanziert werden muss – und das in einer Gemeinde, die ohnehin hohe Schulden hat. Auch anderswo sind Gewerbegebiete, deren Insassen jetzt für die Steuereinnahmen sorgen, mit Krediten vorfinanziert worden.

Vor diesem Hintergrund plädiert der Landtagsabgeordnete Michael Friedrich (LINKE) für mehr Kulanz gegenüber den Gemeinden, etwa in Form niedrigerer Anfangssätze. Prinzipiell freilich hält er die Regelung – anders als die FDP, die das Instrument rundweg ablehnt – für durchaus sinnvoll: Die Ansiedlung der Unternehmen sei schließlich meist mit Steuermitteln gefördert worden; es sei also »gerechtfertigt, dass ein Teil davon wieder zurückfließt«, sagt der Linkspolitiker, der Parallelen zum Finanzausgleich zwischen den deutschen Bundesländern zieht – und dessen Partei auch für eine Reichensteuer für vermögende Bürger plädiert.

Ganz vom Tisch weisen wollen solche Argumente auch die betroffenen Bürgermeister nicht. Sie bejahen das Solidarprinzip, halten aber die Regelung für zu hart – und verweisen auf skurrile Folgen: So zahlten manche jetzt Reichensteuer, dürften aber im Gegenzug wieder Fördermittel beanspruchen.

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