Guatemalas Entschuldigung

Präsident Coloms Besuch in Havanna festigte die Beziehungen zu Kuba

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Prozessionen hochrangiger ausländischer Politiker in Richtung Havanna nehmen kein Ende. Am Mittwoch flog der guatemaltekische Staatschef Álvaro Colom nach einem dreitägigen Aufenthalt wieder ab. Er war der fünfte lateinamerikanische Präsident, der in diesem Jahr einer Einladung Raúl Castros folgte. Sein mexikanischer Kollege packt bereits die Koffer. Auch der honduranische Präsident soll sich mit der Absicht tragen, Kuba zu besuchen.

Einen außergewöhnlichen Hintergrund hatte der Besuch des Guatemalteken Colom nicht nur, weil er sich zu Hause gegen die Opponenten der Verleihung des höchsten staatlichen Ordens an Fidel Castro durchsetzen musste. Kuba und Guatemala sind etwa gleich groß und haben zwischen elf und zwölf Millionen Einwohner. Den Text für die guatemaltekische Nationalhymne schrieb ein Kubaner. Guatemala wagte es ab Mitte der 40er Jahre als erstes lateinamerikanisches Land, die allmächtige United Fruit Company, in deren Aufsichtsrat Beamte der US-amerikanischen Regierung und der CIA saßen, mit einer Bodenreform herauszufordern und eine bürgerlich-demokratische Revolution einzuleiten. Seine frei gewählten Repräsentanten wurden von einem Söldnerheer, das die CIA zusammengetrommelt hatte, verjagt. Die legalen Streitkräfte blieben Gewehr bei Fuß. Erst als sich die Bauern erhoben, schlugen sie zu und entfachten einen Bürgerkrieg, der nach fast 40 Jahren mit der Bilanz von 150 000 Toten und 40 000 Vermissten endete. Die unabhängige Wahrheitskommission, die ab 1994 drei Jahre lang mit der Aufklärung befasst war, kam zu dem Schluss, dass 90 Prozent der Verbrechen gegen die Menschenrechte aufs Konto der Militärregierungen gingen, für zehn Prozent wurde die Guerilla verantwortlich gemacht.

Guatemala war das erste lateinamerikanische Land, das 1960 seine Beziehungen zu Kuba abbrach und den von der CIA protegierten Konterrevolutionären, die im April 1961 in der kubanischen Schweinebucht landeten, Trainingslager zur Verfügung stellte. Präsident Colom bat Kuba jetzt im Namen seiner Regierung und in seinem eigenen Namen dafür um Verzeihung. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten wurden erst 1998 wieder aufgenommen.

Unmittelbar nach dem verheerenden Hurrikan Mitch im selben Jahr entsandte Kuba 500 Ärzte und Medizinhelfer nach Guatemala, wo sie sich in Regionen einsetzen ließen, in die ein guatemaltekischer Arzt nicht einmal unter normalen Bedingungen seinen Fuß gesetzt hätte. Von den 8000 einheimischen »Doctores« praktizierten damals 7000 in der Hauptstadt. Kuba hat auf Ersuchen der guatemaltekischen Regierung bis heute 400 Mediziner im Einsatz. »Die Kubaner haben das Gesundheitswesen in meinem Land verändert«, so Exvizepräsident Francisco Reyes. »Dort wo sie tätig sind, wurde die Kindersterblichkeit mehr als halbiert. Sie haben dazu beigetragen, die Vorsorge grundlegend zu verbessern, und großmütig ihre Kenntnisse den lokalen Helfern vermittelt.« Die Erfahrungen dieser Männer und Frauen gaben den Anstoß zur Gründung der lateinamerikanischen Mediziner-Universität (ELAM) auf Kuba, wo mittellose Jungen und Mädchen aller lateinamerikanischen Länder gratis studieren können, wenn sie sich verpflichten, nach dem Studium für mindestens drei Jahre in jenen stadtfernen Gebieten zu arbeiten, wo sie hergekommen sind. Es ist ein einmaliges Experiment, das sich bewährt hat. Es war eine Idee Fidel Castros. In den elf Jahren, die ELAM existiert, haben allein 507 junge Guatemalteken ihre Examen als Mediziner und 38 als Physiotherapeuten bestanden. Zurzeit werden weitere 500 Guatemalteken ausgebildet.

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