Musik und Politik

Festival Musik und Politik: Ausstellung Zeitzeichen

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Lag es am Wetter, dass am Donnerstagabend doch etwas weniger Zuschauer als erwartet kamen? Oder lag es an dem neuen Veranstaltungsort, dem »White Trash, Smoking Cinema« an der Schönhauser Allee? Vier Stunden Film (und Gespräch) standen auf dem Programm. Die Dokumentationen über Musik und Musiker aus der DDR lohnten das Zuschauen auf jeden Fall. »flüstern und SCHREIEN«, diese Momentaufnahme des Alltags von Musikern (Feeling B, Sandow, Silly, Zöllner), von Dieter Schumann ein Jahr vor der politischen Wende gedreht zwischen Pogo am Ostseestrand, Touralltag und Prenzlauer Berg, ist auch heute noch diskussionsanregend. Und dann der Film »Achtung! Wir kommen«, erst im vergangenen Jahr von Carl G. Hardt fertiggestellt, zeigt Musiker aus dem Osten nach der Wende. »Dr. Bajan und Band«, wie aus dem Film entstiegen, spielte noch auf zu einem Mitternachtskonzert.

Im zentralen Festivalort, der »Wabe« im Prenzlauer Berg (und im benachbarten Festivalklub) finden nicht nur allabendlich Konzerte und tagsüber Diskussionen und Gespräche statt. Dort, in der »Zwiet«, der Zwischenetage, gibt es auch in diesem Jahr wieder eine sehenswerte Ausstellung, die man auch – mit Unterstützung des Deutschen Rundfunkarchivs – hören kann. In Zusammenarbeit mit »Helle Panke« e. V. haben die Festivalmacher Schautafeln – und zwei CDs zusammengestellt: »Zeitzeichen – Lieder für alle, die alles wagen«. Eine Textzeile von Gerulf Pannach für die Gruppe »Renft« war Namenspate. Bilder, Plattencover, Fotos, Zeitungsausrisse (auch ein ganzseitiges ND-Interview mit Gerhard Gundermann) und kundige Texte von prominenten Musikjournalisten sind dort zu besichtigen (und die beschriebenen Lieder nachzuhören, wenn gerade kein Konzert auf der kleinen Bühne läuft). Gestern Nachmittag wurde die Ausstellung eröffnet. Mit Brecht-Liedern, gesungen von Diether Dehm, dem Bundestagsabgeordneten für die LINKE, der in den bewegten 70ern der BRD als »Larryn« die Bühne zur Liedbarrikade umfunktionierte. Begleitet wurde er von Michael Letz, der in den 80ern im »Oktoberklub« der DDR schon das Piano lautwerden ließ.

Ein Preis wurde gestern auch schon verliehen. Die Kulturjournalistin Danuta Görnandt, Jurymitglied des »Jahrespreises der Deutschen Schallplattenkritik 2008«, ehrte Michael Kleff, Chefredakteur des Musikmagazins »Folker!« für seine Edition »Die Burg Waldeck Festivals 1964-1969«.

Das Festival »Musik und Politik« ist auch in seinem zehnten Jahr wohl die interessanteste musikalische Ost-West-Begegnungstätte. Die auch den Blick ins Ausland will. Am Sonnabend (18 Uhr, Babylon) kann man gespannt sein auf die deutsche Erstaufführung des Films von Jim Brown aus dem Jahr 2007 »Pete Seeger: The power of Song«. Da hat man dann die Qual der Wahl. Denn am Sonnabend spielt (20 Uhr) Billy Bragg in der »Wabe«. Zuvor aber (Sonnabend, 14 Uhr) wird er sich auf ein Gespräch mit Hans-Eckart Wenzel einlassen, über »Künstleridentität in politisch bewegten Zeiten«.

Wenzel ist insgesamt schon zum fünften Mal beim Festival in Berlin zu Gast. Unlängst präsentierte er Schlager, die ihm für seine Leute in der neuen Heimat Mecklenburg-Vorpommern eingefallen sind. In den nächsten Monaten wird es von diesem schier unermüdlichen Liedarbeiter endlich ein Songbuch geben (und auch schon wieder eine neue CD mit Liedern zu Texten von Christoph Hein).

Wenzel sang am Freitagabend in der »Wabe« – und erzählte fast ebenso lang zwischen seinen Liedern. Und er stellte, als »Jahrespreisträger der Liederbestenliste 2008«, auch junge (jüngere) Künstler vor. So »Milch und Blut«, die sich 1992 als »Straßenkampfallwetterband« gründeten. Oder auch den Musiker und Liedsänger Christian Haase, der 2005 schon einmal beim Festival dabei war. »Nimmersatt« seine hungrig machende erste CD. Der Dritte gestern Abend: Christoph Teußel aus Österreich, dessen Musik nach Selbstaussage klingt »wie Schach, nur ohne Würfel«.

Falls Ihr Wochenende noch nicht durchgeplant ist: Besuchen Sie doch eines der Konzerte. Wäre einfach schade, wenn Plätze leer blieben. www.musikundpolitik.de

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