Gastkolumne

Gigantische Nullnummer

  • Bodo Ramelow
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Fraktionsvize der LINKEN im Bundestag war bis 1999 Gewerkschaftschef der HBV in Thüringen.
Der Fraktionsvize der LINKEN im Bundestag war bis 1999 Gewerkschaftschef der HBV in Thüringen.

Vor einigen Wochen sagte Frau Nahles von der SPD in einem Interview mit der FAZ, dass die Menschen vor dem Hintergrund der derzeitigen Krise ihr Sparbuch wohl viel eher Peer Steinbrück als Oskar Lafontaine anvertrauen würden. Gut, was Frau Nahles denkt, ist die eine Sache, aber wenn man sich beispielsweise den Fall Hypo Real Estate (HRE) genauer anschaut, wäre es doch mehr als fahrlässig, Herrn Steinbrück sein Geld anzuvertrauen. Beachtenswert ist hier der Termin, an dem der Finanzminister bekannt gab, dass der Bank unbedingt geholfen werden müsste: am 29. September 2008.

Interessant ist da nämlich ein zweiter Termin: der 29. September 2003. An diesem Tag wurde die Abspaltung der HRE von der HypoVereinsbank rechtskräftig. Damit wurden seinerzeit erhebliche Risiken aus der Muttergesellschaft ausgelagert. Um Anleger trotzdem zu schützen, hat der Gesetzgeber aber dafür gesorgt, dass faule Kredite oder Schulden weiterhin beim ursprünglichen Konzern einklagbar sind – mit einer Frist von fünf Jahren.

Das heißt: Genau einen Tag vor Bekanntgabe der dramatischen Schieflage der HRE lief die Schadensersatzfrist für Ansprüche von Altgläubigern gegenüber der HypoVereinsbank, die heute zum italienischen UnitCredit-Konzern gehört, ab. Dabei hätte das Finanzministerium spätestens seit der Lehman-Pleite am 15. September 2008 von den existenziellen Problemen der HRE wissen müssen.

Warum also hat Herr Steinbrück nicht früher gehandelt? Er selbst sagt, dass er nichts davon gewusst habe. Damit kann sich der Steuerzahler selbst aussuchen, ob er das glaubt oder ob man doch davon ausgehen muss, dass der Finanzminister bewusst gehandelt hat. Was von beidem besser ist, sei dahingestellt. Seit dem 29. September 2008 wusste Steinbrück jedenfalls offiziell von der akuten Notsituation. Und nach fünf Monaten kommt jetzt auch der Bundesregierung so langsam die Idee, dass ein staatlicher Einstieg vielleicht doch eine Lösung des Problems sein könnte.

Inzwischen sind läppische 100 Milliarden Euro an Bürgschaften aus Steuergeldern zusammengekommen, mit denen die Bank bis jetzt gestützt wurde. Gerade war man noch davon ausgegangen, dass 90 Milliarden reichen müssten, aber nun will auch noch die elfte Null hinter der Eins versammeln. Soweit muss es also kommen, damit in der Großen Koalition zumindest über eine Verstaatlichung der HRE, die selbst das »Handelsblatt« eine »Bank wie ein Loch« nennt, gesprochen wird. Aber auch auf dem Weg zum VEB Geldkombinat HRE tut sich die Regierung vor allem durch eins hervor: Zögern. Es ist also nicht auszuschließen, dass noch ein paar Nullen dazu kommen, bevor endlich entschieden wird.

Oskar Lafontaine hatte übrigens schon vor zehn Jahren vor den Risiken unkontrollierter Finanzspekulationen gewarnt und für eine bessere Regulierung der Finanzmärkte geworben. In Anbetracht all dieser Entwicklungen frage ich mich schließlich: Würde Frau Nahles ihr Sparbuch wirklich Herrn Steinbrück geben?

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