Wasserpreise, die zum Himmel stinken

Bürger aus 13 Gemeinden müssen wegen Fehlentscheidungen der Landesregierung zusätzlich zahlen

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Landhaus Schmidt zu Kehrigk, einem Ortsteil von Storkow, werden sich am heutigen Sonnabend um 17 Uhr wohl mehr Gäste einfinden als sonst. Denn die Bürgerinitiative Wasser und Abwasser Alt Schadow wird Einblicke in ihre Arbeit geben. Ein von ihr beauftragter und in solchen Prozessen erfahrener Rechtsanwalt wird über Details einer bevorstehenden Klage vor dem Verwaltungsgericht informieren.

Die Bürgerinitiative hat zuletzt ihre Bemühungen fortgesetzt, die für die überhöhten Gebühren verantwortliche Politik auch in die Verantwortung zu nehmen. Zu Wochenbeginn gab es ein Gespräch mit der CDU-Landesvorsitzenden Johanna Wanka. Manfred Fischer und andere aus der Bürgerinitiative legten in deren Wahlbüro die Position der Betroffenen dar.

Demnach wurde der Wasserverband Alt Schadow 1992 gebildet. Nur für das von der Landesregierung bevorzugte Konzept gab es Zuschüsse, auch wenn offenkundig bessere und kostengünstigere vorlagen. In Kehrigk wurde damals aus gutem Grunde eine viel kostengünstigere Kompaktkläranlage erwogen. Wörtlicher Kommentar damals aus dem Umweltministerium: »Sie können alles in Kehrigk machen, nur Fördermittel erhalten Sie dafür nicht.«

So wurde die Regierungs-Kläranlage für 11,5 Millionen Mark gebaut. Es sollten 13 Gemeinden mit rund 4600 Einwohnern auf einem Territorium von etwa 19 mal 15 Kilometern versorgt werden. Die Anlage war aber im mechanischen Teil auf 24 000 Einwohner und im biologischen Teil auf 12 000 Einwohner ausgelegt. »Für einzelne Gemeinden wurden aufwendige Anschlüsse erstellt, etwa sogenannte Freispiegelkanäle mit Vakuum- und Druckentwässerung«, so Fischer.

Die Überdimensionierung führte folgerichtig dazu, dass die Anlagen auf Dauer nicht einmal zur Hälfte ausgelastet worden sind. Jetzt führt der laufende Betrieb erneut zu zusätzlichen Ausgaben, etwa durch aufwendige Spülungen der Leitungsnetze. Die Abwassermengen sind zu gering, werden deshalb gesammelt und irgendwann über große Entfernungen gepumpt. Auch das erweist sich als teuer. Das Abwasser verbleibt zu lange in der Kanalisation, es kommt zu stinkenden Ablagerungen, weshalb es angefault in der Kläranlage ankommt, was wiederum die Reinigung schwieriger macht und zum vorzeitigen Verschleiß der Gerätschaft führt, wie die Initiative beschreibt.

Das Resultat: Wenige Bürger müssen wegen dubioser Prognosen, falscher Entscheidungen der Landesregierung und unbestrittener Misswirtschaft des Wasserverbandes überdimensionierte Preise zahlen, nämlich in einem Zwei-Personen-Haushalt durchschnittlich 11,63 Euro pro Kubikmeter, in einem Ein-Personen-Haushalt gar 16,60 Euro. Im Wasserverband Königs Wusterhausen, dem die Anlage Alt Schadow jetzt zugeordnet wurde, zahlt man für die gleiche Menge 5,52 bzw. 6,68 Euro.

Weil Wasser in Kehrigk und den anderen zwölf Dörfern zum Luxus geworden ist, sparen die Bürger, wo sie können. Was den Preis nahezu zwangsläufig weiter ausufern lässt. Das dem Alt Schadower System zugeschaltete Tropical Island zahlt übrigens nach Berechnungen der Bürgerinitiative 2,58 Euro pro Kubikmeter Wasser und Abwasser. Auch diese staatliche Subvention, so denken nicht wenige Bürger aus dem einstigen Alt-Schadow-Verband, müssen sie mitbezahlen. Johanna Wanka hörte sich geduldig an, was die Bürger bewegt, sagte auch zu, sich kümmern zu wollen.

Ein halbes Dutzend Briefe an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), unter dessen Regie dereinst der Abwasserverband Alt Schadow entstand, blieben ohne Antwort. Lediglich eine hochrangige Beamtin meldete sich einmal telefonisch, die im Namen von ganz oben Unverständnis signalisierte. Die Schreiben an Politiker füllen nun schon einen dicken Aktenordner. SPD-Fraktionschef Günter Baaske entgegnete der Initiative, dass Landesregierung und Landtag nichts tun könnten. Die Höhe der Gebühren sei Sache der Gemeindevertreter. Baaske gab den weisen Rat: Man dürfe nur Investitionen tätigen, die man sich auch leisten könne. »Sie würden auch nicht akzeptieren, wenn sich Ihr Nachbar ein Auto auf Kredit kauft und von Ihnen verlangt, dass Sie einen Teil der Kreditrate bezahlen, weil sie ihm selbst zu hoch ist.«

Solche Antworten kennt man in Kehrigk und den anderen Ortschaften zur Genüge. Angesichts der Geschichte des Abwasserverbandes empfinden sie viele Bürger als Hohn. Selbst mit Wahlen, hieß es, könne man nichts ausrichten, weil man in Storkow mit dem Problem eine Minderheit sei. Die Initiative fügt in ihrer Antwort an Baaske an: »Die Ortsteile Kehrigk und Limsdorf der Stadt Storkow gehören zum Landkreis Oder-Spree, die anderen betroffenen Gemeinden jedoch zum Landkreis Dahme-Spreewald.« Das führe dazu, dass der Landrat Oder-Spree seine Zuständigkeit verneine, da die Kommunalaufsicht Dahme-Spreewald zuständig sei, der dortige wiederum den Bürgern von Kehrigk und Limsdorf kein Gehör schenke, weil die nicht Bewohner von Dahme-Spreewald seien – eine Politposse ohnegleichen. Weshalb man sich über Politikverdrossenheit nicht wundern müsse.

Tatsächlich um die Sorgen der hiesigen Bewohner bemühe sich bisher allein die Linkspartei, wird erzählt. Die Landtagsabgeordnete Renate Adolph sagt, die Regierung habe ihr Ziel, für sozial verträgliche Gebühren einzutreten, längst aufgegeben. Auch anderenorts müssten die Gebührenzahler die Kosten für eine verfehlte Abwasserpolitik tragen. Der Aufbau großer zentraler Abwassersysteme mit wenigen Klärwerksstandorten habe sich im dünn besiedelten Flächenland als besonders unwirtschaftlich erwiesen.

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