Am Abgrund

Valdis Dombrovskis / Der 37-Jährige soll Lettland vor dem Sturz bewahren

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 2 Min.

Valdis Dombrovskis sieht sein Land »am Rande des Bankrotts«. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat keinen EU-Staat so schwer getroffen wie das kleine Lettland. Der Ostseerepublik, jahrelang Wachstumsrekordler, drohen in diesem Jahr ein Wirtschaftsminus von 12 Prozent und 50 Prozent mehr Arbeitslose. Der Internationale Währungsfonds und mehrere EU-Staaten wollen den Letten mit einem 7,5-Milliarden-Euro-Kredit unter die Arme greifen, verlangen aber drastische Sparmaßnahmen. Eben dagegen protestierten am 13. Januar 10 000 empörte Bürger in Riga. Die Demonstration endete in einer Schlägerei, zu deren späten Opfern auch Regierungschef Ivars Godmanis zählt: Er musste in der vergangenen Woche seinen Hut nehmen.

Die 15. Regierung des unabhängigen Lettlands soll nun Valdis Dombrovskis bilden. Der gebürtige Rigaer, Jahrgang 1971, ist studierter Physiker und arbeitete als solcher auch in Mainz und Maryland, bevor er 1998 bei der Bank von Lettland anheuerte und 2002 für die Rechtspartei »Neue Ära« in die Saeima, das lettische Parlament, einzog. Prompt wurde er Finanzminister. Dass er dennoch nicht für den finanziellen Notstand verantwortlich gemacht wird, verdankt er seinem Wechsel ins Europäische Parlament 2004. So war es denn die »Kompetenz in Finanz- und Wirtschaftsfragen, aber auch in der Zusammenarbeit mit den europäischen Strukturen«, die Staatspräsident Valdis Zatlers veranlasste, Dombrovskis mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Der schob alle Schuld an der Misere auf seine Vorgänger und kündigte Steuererhöhungen an, die seine Partei in der Opposition hart kritisiert hatte.

Zuvor waren andere Vorschläge laut geworden: Schweden solle Lettland besetzen, das sein Existenzrecht verwirkt habe, forderten 2500 Bewohner. Andere schlugen dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch vor, das Land aufzukaufen. Zuletzt wurde Pjotr Awen, Chef der russischen Alfa-Bank, der immerhin einen lettischen Großvater hat, als Premier ins Spiel gebracht. Schließlich hatte Lettland schon eine Präsidentin, die den Großteil ihres Lebens in Kanada verbracht hat. Doch in der Regierung sind nicht einmal Parteien erwünscht, die die starke russischsprachige Minderheit des Landes vertreten.

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