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Watschn für bayerisches Versammlungsgesetz

Bundesverfassungsgericht bremst Verschärfungen vorläufig aus

Das neue Versammlungsgesetz des Freistaats Bayern ist bis zur endgültigen Enscheidung in Teilen außer Kraft.

Das letzte Gesetz der Regierung Beckstein wird seine geistigen Väter nicht überleben. Das Bundesverfassungsgericht bremste am Freitag mit einer Eilentscheidung die schlimmsten Auswüchse des bayerischen Versammlungsgesetzes aus. Die CSU hatte die Verschärfung noch kurz vor der »bayerischen Zeitenwende« mit ihrer absoluten Mehrheit durchgeboxt.

Nützen wird es ihr nichts. Die Richter haben das Gesetz offenbar nur deshalb nicht ganz aufgehoben, weil sonst zentrale Regeln für Versammlungen in Bayern fehlen würden, schreiben sie in ihrer Begründung der Anordnung. Der CSU-Koalitionspartner FDP reagierte prompt: »Das muss grundlegend korrigiert werden«, sagte FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Versammlungen müssten grundsätzlich erlaubt sein und dürften nicht durch Bürokratie und hohe Auflagen behindert werden. Die FDP gehört mit zwölf anderen Organisationen zu den Klägern gegen das Gesetz. In den Koalitionsverhandlungen hatte sie nur einige Entschärfungen verabreden können.

Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürfen Behörden keine Bußgelder gegen Versammlungsleiter verhängen. Und die Polizei darf Demonstranten nicht uneingeschränkt filmen. Auswirkungen hat das Stoppzeichen aus Karlsruhe auch für andere Bundesländer. Baden-Württemberg und Niedersachsen können ihre geplanten Verschärfungen gleich überprüfen.

Das seit Oktober in Bayern geltende Versammlungsgesetz ermächtigte die Polizei bislang zur anlasslosen Aufzeichnung einer gesamten Demonstration. Diese Aufnahmen, die mehr als ein Jahr gespeichert werden dürften, könnten laut Gericht »Aufschluss über politische Auffassungen sowie weltanschauliche Haltungen« der Betroffenen geben. Es sieht darin »durchgreifenden Nachteile« für die Bürger.

Das Gericht setzte zudem Vorschriften außer Kraft, die Veranstaltern von Versammlungen Bußgelder bis zu 3000 Euro androhten – etwa wenn sie keine »geeigneten Maßnahmen« ergriffen, um Gewalttätigkeiten »aus der Versammlung heraus« zu verhindern. Den Richtern zufolge führen solch schwammige Formulierungen bei Betroffenen zum »schwer kalkulierbaren Risiko einer persönlichen Sanktion« und zu »Einschüchterungseffekten«, die die Ausübung des Versammlungsrechts beeinträchtigen könnten.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will aber noch nicht aufgeben. Das Gesetz bleibe in seinem Kern erhalten, nur einige Teile würden außer Kraft gesetzt, sagte er. Eine Überarbeitung der genannten Punkte sei ohnehin bereits in der Koalitionsvereinbarung von CSU und FDP festgelegt. Die Gesetzesänderung soll noch vor dem eigentlichen Urteil des Gerichts unter Dach und Fach sein. Wann dieses kommt, steht aber noch nicht fest.

Ziemlich sicher wird es damit nicht genug sein. Das Bundesverfassungsgericht geht generell vorsichtig mit dem Instrument der Eilentscheidung um. Immerhin macht es damit dem Gesetzgeber Vorschriften, bevor es sich abschließend ein Urteil gebildet hat. Über den Ausgang des Verfahrens sagt diese Selbstbeschränkung allerdings nichts.

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