Schach vital statt Schönheitspreis

Weselin Topalow fordert den Weltmeister Viswanathan Anand heraus

  • Michael Müller, Sofia
  • Lesedauer: 3 Min.

Er freute sich sichtlich, war locker und hatte manchen flotten Spruch drauf, doch er schwebte am Donnerstagabend nicht unter der Decke des Sofioter Kulturpalastes. Der 33-jährige bulgarische Ex-Schachweltmeister Weselin Topalow hatte sich in einem für ihn siegreichen Duell mit dem US-Amerikaner Gata Kamsky (33) gerade das Privileg erkämpft, den indischen Weltmeister Viswanathan Anand (39) herauszufordern.

Doch Topalow wäre kein ernstzunehmender Anwärter auf den Schachthron, könnte er diesen Erfolg nicht realistisch durchrechen: Kamsky war einerseits sicher nicht ungefährlich, aber andererseits spielte er in Sofia nicht ganz in Topalows Liga. »Wir hatten sehr harte sieben Runden«, fasste »Wesko«, wie ihn seine heimatliche Fangemeine nennen, zusammen. »Doch erst jetzt geht es richtig los«, versprach er mit Blick auf den anstehenden WM-Titelkampf.

Insgesamt war dieses Herausfordererduell kein Glanzstück: Schach vital statt Schönheitspreis. Dafür hatte allein schon das zuvor gesetzte Limit von nur acht Partien gesorgt. Es kam zum nicht überraschenden kräftigen Schlagabtausch mit Patzern auf beider Seite. Kamskys Einschätzung, dass Topalow gewann, »weil er weniger Fehler machte«, bleibt indes etwas einseitig. Denn der Bulgare siegte auch deshalb verdient, weil er einfach innovativer, frischer, angrifflustiger als sein Gegner und ihm zudem in der Verteidigungsstategie überlegen war.

Der in der Sowjetunion geborene Kamsky, der 1996 als 22-Jähriger im WM-Titelkampf Anatoli Karpow (Russland) unterlag, war sicher eines der größten Talente der Schachgeschichte. Doch dann stieg er profisportlich fast zehn Jahre lang aus, ehe Ende 2004 sein glanzvolles Comeback begann. »Ich glaube, dass ich durch diese Pause nicht besser geworden bin«, räumte er mit dem ihm eigenen schmallippigen Lächeln ein.

Als Topalow bestes Jahr gilt bisher 2005. Da kam er im Frühjahr nicht nur auf Platz eins beim Turnier in Linares (Spanien), quasi das Wimbledon des Schachs, sondern schlug dort in der letzten Runde auch noch sensationell Altmeister Garri Kasparow (Russland). Zum Ausklang des Jahres 2005 holte er sich den Weltmeistertitel und räumte auch den Schach-Oscar ab. 2009 eröffnet sich Topalow eine ähnliche Perspektive. Als derzeit souveräner Weltranglistenerster ist seine Ausgangsposition von der Papierform her sogar weit besser als je zuvor.

Eigentlich könnten nur zwei dem aus dem bulgarischen Russe stammenden Hobbyfußballer einen Strich durch die WM-Rechnung machen. Zum einen natürlich der Weltmeister Anand, zum anderen der Weltschachbund FIDE. Dessen professionelle Verfasstheit lässt nämlich ernsthaft daran zweifeln, ob er den Titelkampf 2009 überhaupt organisiert bekommt. Für das Herausfordermatch in Sofia brauchte er jedenfalls weit mehr als ein Jahr.

7. Partie: Topalow (Weiß) - Kamsky (Schwarz): 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5 4.exd5 Dxd5 5.Sgf3 cxd4 6.Lc4 Dd6 7.0-0 Sf6 8.Te1 Le7 9.Sb3 Sc6 10.Sbxd4 Sxd4 11.Sxd4 0-0 12.c3 Ld7 13.Df3 Db6 14.Lb3 a5 15.Le3 Lc5 16.Tad1 a4 17.Lc2 Dxb2 18.Lg5 Sd5 19.c4 Lxd4 20.Dd3 f5 21.Dxd4 Dxc2 22.cxd5 Dxa2 23.Db6 a3 24.Le7 Tfe8 25.Dd6 La4 26.Dxe6 Kh8 27.Ta1 Dc4 28.Tec1 Lc2 29.Dd7 a2 30.d6 b5 31.Db7 Teb8 32.Dc7 Tc8 33.Dxc4 Txc4 34.d7 Lb1 35.Td1 Kg8 36.d8=D Txd8 37.Lxd8 Lc2 38.Tdc1 b4 39.Txa2 b3 40.Ta8 Kf7 41.Tb8 Ke6 42.Te1 Kd5 43.Le7 Ta4 44.Lf8 Ta7 45.h4 - 1:0. Endstand: 4,5:2,5.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal