Und es ward Licht

Vor 130 Jahren legte Siemens den Grundstein für die elektrische Straßenbeleuchtung Berlins

  • Maria Curter
  • Lesedauer: 3 Min.
Vornehme Bürger ließen sich um 1860 heimleuchten. Repro: Archiv/Maria Curter
Vornehme Bürger ließen sich um 1860 heimleuchten. Repro: Archiv/Maria Curter

An diesem Sonntag vor 130 Jahren – am 1. März 1879 – führte Werner Siemens in seinem Haus in der Berliner Straße 63 die erste Differenzial-Kohlebogenlampe vor, die sein Mitarbeiter Friedrich von Hefner-Alteneck konstruiert hatte – ein Meilenstein, ohne den die elektrische Illumination der Berliner Straßen undenkbar gewesen wäre. Als dann 1885 das erste Kraftwerk in der Markgrafenstraße in Betrieb ging, stand der Straßenbeleuchtung mit Strom nichts mehr im Wege.

In vergangenen Zeiten musste, wer des Nachts nicht stolpern, mit dem Kopf gegen harte Gegenstände rennen und öfter als ihm lieb war in etwas Weiches treten wollte, sich schon eine Laterne mitnehmen. Vornehme Leute ließen sich vom Diener voraus- oder heimleuchten. 1679 befahl der Große Kurfürst »eine Laterne, darinnen ein brennend Licht steckt, aus jedem dritten Haus herauszuhängen, also daß die Lampen von den liebden Nachbarn abwechselnd besorgt werden«. Die »liebden Nachbarn« aber mochten nicht. Und so ließ der Kurfürst 1682 auf ihre Kosten Laternen auf Pfählen errichten, die nur von September bis Mai brannten. Da ihre Unterhaltung jährlich 3000 Taler beanspruchte, die ohne Erbarmen eingetrieben wurden, richtete sich die Wut der Einwohner gegen die ihrer Ansicht nach höchst unnütze Straßenbeleuchtung. Man warf sie fleißig ein.

Am 27. Februar 1720 wies Friedrich Wilhelm I. Militär und Magistrat an, die Straßenbeleuchtung Berlins streng zu überwachen. Er befahl durch »geschärffte Ordre« und mit der Begründung, dass »die Boßheit und der Übermuth, so an den publiquen Laternen in hiesigen Residentzien durch Zerschlagung und Ruinirung öffters verübt worden, nicht nachlassen will, vielmehr von Zeit zu Zeit immer grösser wird und soweit gestiegen, daß seit kurtzem eine merckliche Anzahl Laternen gantz und gar abgebrochen, gestohlen, und weggetragen worden«, die Strafe für solchen Frevel auf 200 Taler zu erhöhen und den Missetäter für zehn Jahre des Landes zu verweisen. Außerdem versprach er demjenigen, der »einen oder mehr dergleichen Laternen-Diebe anzeigen könnte«, dass er aus der hiesigen Accise-Kasse »so fort baar zehen Rthlr.« empfangen solle.

Obwohl Friedrich der Große dann 2400 Laternen in Berlin aufstellen ließ, war es in den Straßen doch noch recht finster, denn abgesehen davon, dass diese Laternen in gewissen Monaten, sowie dann, wenn Mondschein im Kalender stand, überhaupt nicht angezündet wurden, verbreiteten sie nur sehr wenig Licht. Es waren kleine, dreieckige Glasgehäuse auf hölzernen Pfählen, in denen Öllämpchen brannten, die jeder Windstoß löschte. 1803 wurden die Pfähle entfernt und die Laternen mit eisernen Stangen an den Häusern befestigt oder an Stricken aufgehängt, die quer über die Straße liefen.

Mit Recht behaupteten die Berliner, dass »diese Beleuchtung nur dazu diene, daß man auch ordentlich sehen könne, wie finster die Nacht sei«. Die Stadtväter erkannten, dass die Öllampen ein untragbarer Zustand für die »öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit der wachsenden Stadt« sei. Deshalb wurde 1826 mit der englischen Gasgesellschaft ein Vertrag für 21 Jahre geschlossen, der vorsah, den größten Teil der innerhalb der Ringmauern gelegenen Straßen und Plätze durch Gas zu »erleuchten«. Insgesamt 2719 Laternen wurden aufgestellt, davon 1789 mit Gas und 930 mit Öl betrieben. 1300 Stunden im Jahr sollten sie brennen. Im Laufe der Jahre stellte sich aber heraus, dass dies zu knapp bemessen war. Der Berechnung lagen die Vollmondnächte zugrunde, an denen keine Beleuchtung für nötig befunden wurde. An wolkigen Tagen aber war Berlin auch bei Vollmond finster.

Nach Ablauf des Vertrages begann ein jahrelanger Streit zwischen der Stadt und der Gesellschaft über eine Verlängerung des Vertrages bzw. die Gründung einer städtischen Gasanstalt, die die Straßenbeleuchtung übernehmen sollte. 1860 versorgte die stadteigene Anstalt mittlerweile 4146 Laternen 3600 Stunden jährlich, ohne Rücksicht auf Mondschein im Kalender.

19 Jahre später legte dann Siemens mit besagter Bogenlampe den Grundstein für eine elektrische Straßenbeleuchtung.

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