»... damit niemand abgehängt wird«

Die Grünen im Abgeordnetenhaus diskutierten auf einer Konferenz über Strategien in Neukölln

Der Kottbusser Damm im Norden Neuköllns
Der Kottbusser Damm im Norden Neuköllns

Wenn Neukölln als Ghetto bezeichnet wird, dann wohl nur in einer Stilisierung einer Jugendgang auf der Straße oder in populistischen Übertreibungen. Tatsächlich gibt es seit einigen Jahren vielfältige Versuche, den soziokulturellen Spannungen zu begegnen.

Sozialwissenschaftler der Humboldt-Universität haben eine Trendanalyse von Neukölln veröffentlicht. Demnach sei besonders im Norden des Bezirks die Situation alarmierend; die Armut dort besonders hoch. In Deutschland gebe es keinen anderen Stadtteil, dessen Lage man mit dem Zustand im nördlichen Neukölln vergleichen könne, meint Daniel Förste, der an der Studie mitgearbeitet hat. Die Grünen im Abgeordnetenhaus nahmen diese Analyse zum Anlass, eine Konferenz zu veranstalten und über Perspektiven für das Berliner Armenhaus zu diskutieren.

Besonders junge Menschen aus den Problemkiezen hätten einen schlechten Einstieg ins Leben, weiß Jugendstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) aus dem Alltag zu berichten. 70 Prozent der Kinder sind im Norden Neuköllns auf staatliche Sozialleistungen angewiesen. Habe in den vergangenen Jahren in Berlin die Arbeitslosigkeit abgenommen, so sei dieser Trend in Neukölln nur sehr bedingt eingetreten, meint Daniel Förste. Zudem hätten rund 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund. Das verlange besondere Anstrengungen für eine Integration und sei eine Grundlage für die Suche nach sozialen Lösungen. Nur so könne man eine größere Chancengleichheit erreichen.

Um diesem Ziel ein Stück näher zu kommen fordert Franziska Eichstädt-Bohlig, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, eine integrierte Politik. Unterschiedliche Programme und Projekte müssten besser ineinander greifen. »Wir müssen weg von einer Leuchtturmpolitik kommen«, sagt sie. Für die Jugendstadträtin Vonnekold seien jedoch diese vielen bereits existierenden Ansätze – etwa der Quartiersmanagements – wichtig, um überhaupt in die Zukunft blicken zu können. »Es fehlen aber oftmals die Mittel für eine Regelfinanzierung«, beschwert sie sich. Eine Prävention müsse nachhaltig sein und dürfe nicht nur für eine begrenzte Zeit Löcher stopfen.

Wie eine positive Entwicklung aussehen kann, zeigt das Beispiel der Rütli-Schule. Im März vor drei Jahren hatten Lehrer der Hauptschule einen Brandbrief an die Senatsverwaltung geschrieben, weil sie der Gewalt nicht mehr standhalten konnten. Seitdem hat sich an der Schule abgesehen von medienwirksamen Projekten wie das Modelabel Rütli-Wear einiges getan, sagt Klaus Lehnert, der pädagogischen Leiter der Schule. Gemeinsam mit der Heinrich-Heine-Realschule aus dem gleichen Gebäude werde künftig eine Gesamtschule entwickelt. Für Lehnert ist das ein Fortschritt. Denn noch bis vor einem Jahr hatte die Realschule nicht einmal mit den verruchten Rütli-Schülern gemeinsame Pausenzeiten.

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