Die »losgerissene Kanone« geht über Bord

Bei der Dresdner Kommunalwahl tritt die frühere PDS-Stadträtin Barbara Lässig für die FDP an

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit der Spaltung der Linksfraktion im Dresdner Stadtrat haben einige populäre Urgesteine der PDS ihre politische Heimat verloren. Jetzt hat sich die erste Politikerin eine neue gesucht: Barbara Lässig geht zur FDP.

Die Umbuchung hat sich gelohnt. Barbara Lässig hatte eigentlich am Freitag nach Miami fliegen wollen, verschob den Abflug aber kurzfristig. Zuvor ließ sie sich am Samstag zum wiederholten Mal für eine Kommunalwahl in Dresden aufstellen. Freilich: Auch für die Abstimmung am 7. Juni hat die Werbe-Unternehmerin umgebucht. Jahrelang war sie ein prominentes Gesicht der PDS. Im Sommer indes tritt sie für die FDP an, deren Landeschef Holger Zastrow übrigens ebenfalls eine Werbeagentur führt. Sie sei »eine Linksliberale«, sagt Lässig zur Begründung. Außerdem »fliegen bei der FDP nicht immer nur die Fetzen«.

In ihrer Ex-Partei geschah das mit lautem Getöse – woran Lässig oft eine gehörige Aktie hatte. So sorgte sie 2004 für Schlagzeilen, indem sie Einspruch gegen das Ergebnis der Landtagswahl erhob und die PDS, aus der sie 1999 ausgetreten war, wegen angeblicher Ungereimtheiten bei der Kandidatenaufstellung vor dem Leipziger Verfassungsgericht verklagte.

Nicht nur diese Aktion brachte Lässig den Ruf der im Englischen sprichwörtlichen »loose cannon« ein, einer losgerissenen Kanone, die in stürmischer See auf dem Schiffsdeck maximalen Schaden anrichtet. Auch in der Chronologie der Spaltung der Dresdner Ratsfraktion taucht ihr Name häufig auf. So war es eine Äußerung Lässigs, die 2007 dem Stadtvorstand Anlass gab, einen Teil der Räte aus der bisherigen Linksfraktion abzuziehen und eine neue zu gründen. Nachdem ein anhaltender Richtungsstreit an der Frage des Verkaufs der Wohnungsgesellschaft WOBA eskaliert war, grübelte Lässig laut, ob sie bei der Kommunalwahl 2009 mit Gleichgesinnten konkurrierend zur LINKEN antreten solle. Das sei »politische Opposition aus der eigenen Fraktion heraus«, schäumte der Stadtvorsitzende Hans-Jürgen Muskulus.

Ein Jahr später zog die Dresdner LINKE dann den Schlussstrich unter die Kontroverse, und wieder lieferte die Parteilose Lässig den Anstoß. Sie hatte im OB-Wahlkampf Inserate geschaltet, in denen zur Wahl der CDU-Frau Helma Orosz aufgerufen wurde. Klaus Sühl, Kandidat der LINKEN, sah in solchen Aktionen, aber auch im Verhalten der gesamten Altfraktion, die ihre Ziele im Stadtrat häufig und pragmatisch mit der CDU durchsetzte, »unseren Namen, unsere Politik und Glaubwürdigkeit« beschädigt. Es wurde beschlossen, die Genossen der Altfraktion nicht mehr für Mandate aufzustellen.

Seither sind einige populäre Urgesteine der Dresdner PDS ohne politische Heimat, so Ex-Stadtchefin Christine Ostrowski, die mittlerweile aus der LINKEN ausgetreten ist, und Ronald Weckesser, der lange die Finanzpolitik der Landespartei prägte, nach einem Abstimmungseklat im Stadtrat um einen Antrag von Rechtsextremen aber nur noch geduldet wird und angelastet bekommt, er stehe der CDU »politisch und menschlich näher« als der eigenen Partei. Sie alle gelten als Vollblutpolitiker, die noch nicht aufs Altenteil wollen.

Je näher nun die Kommunalwahl rückt, um so intensiver wird über ihre politische Zukunft spekuliert. Vermutung, sie könnten wie einst von Lässig angekündigt gemeinsam antreten, hat deren Aufstellung für die Liberalen zerstreut. Die sei »nur konsequent«, sagt Muskulus. »Sie tritt endlich für die Partei an, für die sie seit Jahren Politik macht«, ätzt der Stadtchef, der mit weiteren Kandidaturen aus den Reihen der Altfraktion rechnet. Ob das der LINKEN schadet oder nutzt, bleibt abzuwarten. So ist Lässig, die auch Präsidentin der Dresdner »Eislöwen« ist, in der Stadt äußerst populär: 2004 erzielte sie das drittbeste Stimmergebnis aller Stadträte. Andererseits, sagt Muskulus, »wissen die Wähler nun wenigstens, wer zu uns gehört und wer nicht«.

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