Milliarden in ein Fass ohne Boden

US-Versicherer AIG bekommt nach Rekordverlust zum vierten Mal Hilfen vom Staat

  • Lesedauer: 3 Min.
Rekordverluste beim Versicherungskonzern AIG haben die Börsianer wieder in einen Schockzustand versetzt.

New York (Agenturen/ND). Mit einem Rekordverlust von fast 100 Milliarden Dollar bei dem schwer angeschlagenen US-Versicherer AIG hat die Finanzkrise einen neuen Höhepunkt erreicht. Nur drei Tage nach der Teilverstaatlichung der einst weltgrößten Bank Citigroup vermeldete die American International Group einen Jahresverlust von 99,3 Milliarden Dollar, davon fielen allein 62 Milliarden Dollar im Schlussquartal 2008 an. Wegen des neuen Milliardenlochs muss die US-Regierung die Hilfsmaßnahmen für den früher von vielen Versicherern – unter anderem der Allianz – als Vorbild eingestuften Konzern um 30 Milliarden auf jetzt insgesamt rund 180 Milliarden Dollar aufstocken. Bislang hielt der Medienkonzern Time Warner mit einem Verlust von 98,7 Milliarden Dollar im Jahr 2002 den Negativrekord.

AIG hatte sich vor allem mit Versicherungen auf hochspekulative Hypothekenpapiere verzockt. Der Großteil des Verlusts stammt aus Wertberichtigungen, während das operative Minus mit 5,7 Milliarden Dollar vergleichsweise gering ausfiel. Bei den Nettoprämien verzeichnete AIG sogar ein leichtes Plus auf 46,2 Milliarden Dollar. Der Konzern geht davon aus, dass das Ergebnis im laufenden und auch im kommenden Jahr »deutlich« von den Zinsen für die Überbrückungskredite des Staates und Vorzugsaktien belastet wird. Dem Versicherer drohte zuletzt eine Reduzierung des Kreditratings. Das hätte AIG gezwungen, Milliarden als Sicherheiten bei Finanzgeschäften nachzuschießen.

AIG wurde seit Herbst schon drei Mal vom US-Staat am Leben erhalten, der einen Anteil von fast 80 Prozent kontrolliert. Die Regierung befürchtet, dass ein Zusammenbruch des Konzerns neue massive Turbulenzen auf den Finanzmärkten auslösen könnte, und stützt den Versicherer daher immer weiter. Die neuen 30 Milliarden Dollar kommen aus dem Hilfsfonds für die Finanzbranche.

An den Finanzmärkten nimmt angesichts der neuen Hilfen für AIG und die Citigroup die Sorge zu, dass die bisher geschnürten Rettungspakete nicht reichen. Der Dow-Jones-Index sackte am Montag in New York zum ersten Mal seit 1997 wieder unter die Marke von 7000 Punkten. »AIG erinnert die Anleger nachdrücklich daran, dass die Probleme bei weitem nicht gelöst sind«, sagte Peter Cardillo, Analyst von Avalon Partners. Die Aktien des Versicherers entzogen sich allerdings der negativen Stimmung und sprangen knapp 15 Prozent in die Höhe. Der Börsenwert der AIG war in den vergangenen zwölf Monaten allerdings um rund 99 Prozent eingebrochen.

Derweil beschert die Krise Europas größter Bank HSBC einen kräftigen Gewinneinbruch und zwingt den britischen Bankenriesen zu einer Kapitalerhöhung. Der Gewinn sank 2008 um 70 Prozent auf 5,7 Milliarden US-Dollar, wie HSBC am Montag in London mitteilte. Die Großbank will sich nun frisches Kapital im Volumen von 12,5 Milliarden Pfund (rund 14 Milliarden Euro) besorgen, die größte Kapitalerhöhung in der Geschichte des Königreichs. Außerdem will sich HSBC vom Großteil seines Kredit- und Hypothekengeschäfts in den USA trennen. Die Verluste dort von 15,5 Milliarden US-Dollar waren der Hauptgrund für den drastischen Gewinnrückgang. Mit dem Ende des Kreditgeschäfts in den USA stehen mehr als 6000 Jobs auf der Kippe.

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