Bald nur noch »private« Briefe?

Britische Regierung will 30 Prozent der Royal Mail verkaufen

  • Christian Bunke, Manchester
  • Lesedauer: 2 Min.
Banken erhalten in Großbritannien Finanzspritzen, Großkonzerne hoffen auf Regierungshilfe. Im öffentlichen Sektor scheint jedoch weiter Privatisierung angesagt. Am Dienstag fand im britischen Oberhaus die zweite Lesung eines Gesetzes statt, welches den Verkauf von 30 Prozent der britischen Post vorsieht.

Die britische Post verliere zu viel Geld und arbeite nicht effektiv, erklärte Wirtschaftsminister Peter Mandelson am Montag in der »BBC«. Ein Teilverkauf sei unbedingt nötig, schon um die gesamte Privatisierung der Post zu verhindern. Unter anderem steht die holländische Firma TNT bereit, um bei der Royal Mail einzusteigen. Die britische Kommunikationsarbeitergewerkschaft CWU befürchtet in diesem Fall eine Entlassungswelle. Am Dienstag wurde bekannt, dass TNT in Holland die Entlassung von 10 000 Beschäftigten plant. TNT verzeichnete 2008 einen Profitrückgang von 37 Prozent. Auch DHL ist als Partner im Gespräch, ein berüchtigter antigewerkschaftlicher Arbeitgeber.

Die CWU stemmt sich gegen die Pläne. Unterstützt wird sie dabei von anderen im TUC-Dachverband organisierten Gewerkschaften, unter anderem von UNISON, der größten Gewerkschaft im öffentlichen Sektor. Nach Ansicht der CWU ist Privatisierung uneffektiv, weil sie Zwang zur Profitmaximierung bedeute. Guter Service sei so nicht zu gewährleisten. Man verweist unter anderem darauf, dass die britische Post sechs Tage pro Woche ausliefert, während TNT dies nur für zwei Tage garantiert.

In den vergangenen Wochen organisierte die CWU Proteste in allen größeren Städten Großbritanniens und eine Kundgebung vor dem britischen Parlamentsgebäude. Die CWU Führung hofft, das Gesetz durch Widerstand von Labour-Parlamentariern kippen zu können. Tatsächlich muss die Labour-Regierung wahrscheinlich auf die Stimmen der Konservativen zählen, um die Privatisierung durchsetzen zu können. Bei der ersten Lesung am 28. Februar verweigerten 133 Labour-Abgeordnete die Gefolgschaft. Die Liberaldemokraten wollen gegen das Gesetz stimmen, wohl weil ihnen die Privatisierung nicht weit genug geht. Auch bei der zweiten Debatte am Dienstagabend gab es großen Widerstand aus der Labour-Fraktion. Das Gesetz muss demnächst noch das Unterhaus passieren.

Die CWU ist politisch mit der Labour Partei verbunden. Der Gewerkschaftstag 2008 beschloss aber, im Falle einer Postprivatisierung die Abspaltung von der Partei einzuleiten. Die Gewerkschaftsführung ist über die Privatisierungspläne vor allem deshalb enttäuscht, weil Labour 2008 ein Wahlversprechen gegen jedwede Privatisierungspläne abgab.

Die CWU kündigte eine Urabstimmung zur Streikfrage an, sollte die Privatisierung im Parlament durchkommen. Allerdings wiesen CWU-Funktionäre in der Presse wiederholt darauf hin, dass Streiks zu politischen Fragen illegal seien. Am kommenden Samstag demonstrieren Postangestellten in Wolverhampton.

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