Die ganz normale »Unreinheit«

Der Soziologe Ulrich Beck über »Friedensfähigkeit und Gewaltpotential der Religionen«

Erleben wir in den westlichen Gesellschaften eine Rückverwandlung des Monotheismus der Religionen in einen Polytheismus des Religiösen? Allgemeine Beobachtungen wie auch wissenschaftliche Forschungen zeigen, dass sich der Einzelne in immer größerer Unabhängigkeit von den institutionalisierten Religionsgemeinschaften seinen eigenen Glaubenskosmos schafft. In seinem neuen Buch »Der eigene Gott. Friedensfähigkeit und Gewaltpotential der Religionen« (Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig, 275 S., 19,80 Euro) setzt sich der renommierte Münchner Soziologe ULRICH BECK mit diesem neuartigen Phänomen auseinander. Mit ihm sprach für ND ADELBERT REIF.

ND: Herr Prof. Beck, ein Blick auf den Buchmarkt zeigt ein überwältigendes Angebot von Veröffentlichungen mit religiöser Thematik. Wie kommt es, dass sich Vertreter ganz unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche mit religiösen Fragen auseinandersetzen?
Beck: Bisher gingen wir sehr simpel davon aus, dass mehr Moderne auch weniger Religion bedeutet. Jetzt stellen wir fest, dass das Gegenteil zutrifft: Religion ist ein Phänomen, das nicht mit der Modernisierung langsam abstirbt, sondern eine neue Bedeutung gewinnt. Die Soziologie muss ihre Auffassung von Moderne revidieren. Meine These ist, dass wir einen Übergang von Religion zur Religiosität erleben, also von der im Glaubenskanon institutionalisierten Religion hin zu einer stärker subjektiven Religiosität. Das würde auch begründen, warum andere Disziplinen wacher werden für solche Fragen.

Ist das »nur« Reaktion auf Debatten, die von den Religionswissenschaften vorgegeben wurden?
Das lässt...


Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.