Unzufriedenheit mit der LINKEN?

Werner Schulten über die Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV / Werner Schulten ist einer von zwei gleichberechtigten Sprechern der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV in der Linkspartei

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Unzufriedenheit mit der LINKEN?

ND: Sie sind Sprecher der am vergangenen Freitag gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Hartz IV der LINKEN. Was will die neue BAG?
Schulten: Die BAG Hartz IV will in erster Linie, dass die Partei da bleibt, wo sie eigentlich herkommt. Die LINKE formierte sich ja auch unter dem Eindruck der Hartz IV-Proteste. Sie steht für eine »neue soziale Idee«, ohne dass diese neue Idee bisher wirklich mit Leben erfüllt worden ist. Das liegt auch daran, dass wir noch kein Parteiprogramm haben, sondern lediglich programmatische Eckpunkte. Und nachdem im Januar dann über Klaus Ernst ein Fraktionspapier entstand, das nicht wirklich mit der Hartz IV-Logik bricht, war Eile geboten. Wir haben diese BAG nun gegründet, um das Wahlkampfprogramm für die Bundestagswahlen noch beeinflussen zu können.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb gestern, die BAG Hartz IV hätte sich aus »Unzufriedenheit über die LINKE« gegründet. Stimmt das?
Nein, das ist so nicht richtig. In der Partei war und ist Unzufriedenheit über Tendenzen in bestimmten Kreisen der Partei festzustellen. Und diese Unzufriedenheit kam natürlich in erster Linie mit diesem Diskussionspapier zur bedarfsdeckenden Mindestsicherung auf. Nicht nur innerhalb der Partei, sondern in der gesamten Erwerbslosenszene. Wir haben mit der Gründung der BAG Hartz IV im Prinzip auch Parteiaustritte verhindert. Denn viele, die dieses Papier gelesen hatten, wollten aus der Partei austreten, einige sind es dann auch. Ich halte Parteiaustritte jedoch für den falschen Weg.

Nun saß Klaus Ernst, der Autor des umstrittenen Diskussionspapiers, am Freitag auch auf dem Podium der BAG Hartz IV.
Dass Klaus Ernst gekommen ist, zeigt, dass er diese Arbeitsgemeinschaft ernst nimmt. Wir waren ja bereits im Vorfeld der Gründung aktiv und hatten einen Aufruf an alle Bundestagsabgeordneten geschrieben, dem ursprünglichen Entwurf von Klaus Ernst auf gar keinen Fall zuzustimmen. Daraufhin hat Klaus Ernst noch einmal mit Katja Kipping gesprochen. Die beiden haben sich auf ein Kompromisspapier geeinigt, in dem beispielsweise die Sanktionsfreiheit sehr weich formuliert worden ist. So weich, dass Klaus Ernst in seinen Statements und Reden immer wieder vergisst, dass in dem Kompromiss-Papier auch die Sanktionsfreiheit für Hartz IV-Betroffene beschlossen wurde. Er erwähnt das nie. Aber auf der BAG-Gründungsveranstaltung hat Ernst betont, wie wichtig diese Arbeitsgemeinschaft ist, um den Meinungsbildungsprozess in der Partei voranzubringen, und dass in der Fraktion noch mal Gespräche stattfinden werden. Was die Aussagen wirklich wert sind, wird man am kommenden Samstag sehen, wenn über den ersten Entwurf des Wahlkampfprogramms im Parteivorstand debattiert wird.

Hat die BAG Hartz IV die Unterstützung prominenter Parteimitglieder, die den Forderungen Nachdruck verleihen können?
Wir haben einige Bundestagsabgeordnete als Mitglieder. So zum Beispiel die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping oder Kornelia Möller, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Außerdem stehen auch Sevim Dagdelen, Inge Höger und Ulla Jelpke hinter dieser Arbeitsgemeinschaft. Elke Reinke, die Bundestagsabgeordnete mit Hartz IV-Erfahrung, ist sogar in den Sprecherinnenrat gewählt worden. Es gibt Landesvorsitzende, die meinen Aufruf zur Debatte in der Partei über eine linke Grundsicherung nach diesem Klaus Ernst-Papier unterschrieben haben. Ich denke, die überwiegende Mehrheit der Partei lehnt dieses Papier zur Mindestsicherung ab.

Fragen: Fabian Lambeck

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