nd-aktuell.de / 12.03.2009 / Politik / Seite 2

Stunde Null in Erfurt

Massaker vor sieben Jahren war eine Zäsur

Jürgen Amendt

Der Amoklauf des 19-jährigen Robert Steinhäuser am Erfurter Gutenberg-Gymnasium am 26. April 2002 stellte eine Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Der Schüler hatte an diesem Tag zwölf Lehrer, eine Sekretärin, einen Polizisten, zwei Mitschüler und anschließend sich selbst erschossen. Wenige Tage vor der Tat war der als still und verschlossen geltende Jugendliche von der Schule verwiesen worden. Nach dem Amoklauf wurde bekannt, dass Robert Steinhäuser regelmäßig Gewalt verherrlichende Video- und Computerspiele konsumierte.

In Vorbereitung, Durchführung und Ergebnis erinnerte das Verbrechen an Ereignisse, wie sie bis dahin überwiegend aus den USA bekannt waren. Die Tat entfachte daher in der Öffentlichkeit eine hitzig geführte Debatte um die Sicherheit an Schulen. Die Forderungen, wie künftig solche Gewalttaten verhindert werden können, reichten von schärferen Waffengesetzen, dem Verbot von sogenannten PC-Killerspielen bis zu einer besseren Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus (die Eltern Robert Steinhäusers waren über den Rauswurf ihres Sohnes nicht informiert worden, da dieser bereits volljährig war). Als Konsequenz wurde u.a. das Mindestalter für den Erwerb großkalibriger Waffen von 18 auf 21 Jahre erhöht und das Jugendschutzgesetz bezüglich des Besitzes von PC-Spielen verschärft, Sportschützen und Jäger dürfen ihre Waffen jedoch weiterhin zu Hause aufbewahren. Geändert wurde auch das Thüringer Schulgesetz: Seit 2003 können Gymnasiasten nach der 10. Klasse den Realschulabschluss erwerben.

Weniger Beachtung fand dagegen die Kritik von Bildungsexperten. So deutete der Bremer Erziehungswissenschaftler Freerk Huisken die Tat als Extremreaktion eines Jugendlichen, der unter die Räder eines auf Repression und Selektion setzenden Schulsystems geraten ist. Die Wiederholung eines solchen Ereignisse unter ähnlichen Voraussetzungen sei daher durchaus wahrscheinlich.