Noch ein »historischer Einschnitt«

Südamerikas Armeen streben Zusammenarbeit an

  • Gerhard Dilger, Porto Alegre
  • Lesedauer: 2 Min.
Brasiliens Verteidigungsminister Nelson Jobim demonstrierte Härte: »Wenn die FARC-Guerilla in brasilianisches Territorium eindringt, wird sie mit Kugeln empfangen«, erklärte er am Mittwoch in Brasília nach einem Treffen mit seinem kolumbianischen Kollegen Juan Manuel Santos. Zur besseren Grenzsicherung habe man sich geeinigt, dem Nachbarland jeweils 50 Kilometer des eigenen Luftraums für Überflüge zuzugestehen.

Die Politiker waren kurz zuvor aus Santiago de Chile eingetroffen, wo der neue Südamerika-Verteidigungsrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen war. Dort vereinbarten sie mit ihren Kollegen aus Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, Guyana, Paraguay, Peru, Surinam, Venezuela und Uruguay eine engere Zusammenarbeit zwischen ihren Armeen und Rüstungsindustrien und gelobten, künftig vereint gegen den Drogenhandel vorzugehen.

Mittelfristig streben die Länder eine gemeinsame Verteidigungsdoktrin an. Widerstand dagegen kommt lediglich aus Kolumbien. »Wir werden keine gemeinsamen Militäraktionen wie die NATO duchführen, aber sehr wohl Austausch zwischen Rüstungsindustrien, humanitäre Aktionen und Friedensoperationen«, sagte Santos. Die kolumbianischen Luftwaffe gehört schon länger zu den besten Kunden des Flugzeugbauers Embraer, und bei der letzten Freilassung von FARC-Geiseln Anfang Februar half Brasilien mit Hubschaubern aus.

Das pragmatische Verhältnis zu Brasília gab letztlich den Ausschlag dafür, dass Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe beim Verteidigungsrat mitmacht. Die Brasilianer wiederum wollen Kolumbien einbinden, um dadurch langfristig den Einfluss Washingtons in Südamerika zurückzudrängen. Explizit stimmen diesem Ziel die Linksregierungen in Bolivien, Ecuador und Venezuela zu: »Zum ersten Mal versammeln wir uns ohne die Bevormundung durch eine Großmacht«, sagte der venezolanische Minister Ramón Carrizález.

In ihrer Abschlusserklärung sprachen sich die Minister für den »uneingeschränkten Respekt« der Souveränität und gegen Grenzverletzungen aus. Santos, der kürzlich erklärt hatte, Kolumbien habe das Recht, Rebellenlager auch in Nachbarländern anzugreifen, musste sich scharfe Kritik aus Ecuador und Venezuela anhören. Am 1. März hatte sich der Angriff auf ein Lager der FARC-Guerilla in Ecuador durch die kolumbianischen Streitkräfte gejährt, nach dem Quito die diplomatischen Beziehungen zu Bogotá abgebrochen hatte.

Auch der Streit um die Seegrenze zwischen Chile und Peru hält an. Die Gründung des Verteidigungsrates bedeute nicht, dass alle regionalen Spannungen überwunden seinen, räumte der chilenische Verteidigungsminister José Goñi ein. Obwohl gemeinsame Militäraktionen erst langfristig denkbar sind, bezeichnete er die Gründung des Rates als »historischen Einschnitt«.

Die bislang einzige Phase der Zusammenarbeit zwischen südamerikanischen Armeen war die berüchtigte »Operation Condor« in den 70ern. Damals verfolgten die Militärdiktaturen Argentiniens, Boliviens, Brasiliens, Chiles, Paraguays und Uruguays gemeinsame linke Regimegegner.

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