• Politik
  • Vor einem Jahrzehnt traten Polen, Ungarn und Tschechien der NATO bei

»Seien wir doch keine US-Söldner«

Kritik in Polen an der Politik der Regierung

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit zehn Jahren gehört Polen der NATO an, seit sieben führt es an der Seite der USA Kriege – und zwar tausende Kilometer entfernt vom Bündnisterritorium. Doch gibt es auch Kritik an dieser Politik.

In den Irak-Krieg zog Polen einst als Mitglied einer »Koalition der Willigen« auf eine »Bitte« der sich als Weltgendarm begreifenden USA hin; für den Hindukusch stellte sich Warschau aus eigenen Stücken unter USA-Kommando. Auch polnische Experten kritisierten, dass eine Pflicht auf Grundlage des Beistandsartikels 5 der NATO nicht vorlag. In beiden Fällen wurde der Einsatz der »Wojsko Polskie« durch die Regierung mit der Notwendigkeit des Kampfes gegen den »internationalen Terrorismus« begründet. Alle im Sejm vertretenen Parteien haben die Kriegsteilnahme unterstützt. Im ersten Fall geht die Initiative, »Söldnerdienste« für die USA zu leisten, auf das Konto der »linken« Miller-Regierung, die sich dabei wie Staatspräsident Aleksander Kwasniewski des Verfassungsbruchs schuldig machte; im zweiten waren die rechtskonservative Partei »Recht und Gerechtigkeit« und Staatspräsident Lech Kaczynski verantwortlich.

Aus dem Irak-Krieg hat sich Polen 2008 definitiv zurückgezogen, in Afghanistan steht man bis heute und Verteidigungsminister Bogdan Klich aus der Regierung der liberalkonservativen »Bürgerpartei« will zu den bisher eingesetzten 1600 Soldaten weitere Einheiten und schwere Waffen in Marsch setzen. Eine Mehrheit der Bürger war und ist gegen beide Kriege. Eine sichtbarere Diskrepanz zwischen Volk und Regierung gibt es in Polen nicht.

Zu Warschaus NATO-Bilanz gehört eine dritte Front: der »Antiraketenschild«. Die Nachricht, der neue USA-Präsident Barack Obama habe in dieser Frage den von Bush gefahrenen Konfrontationskurs gegen Russland aufgegeben hat, sei in Warschau als eine schlechte aufgenommen worden, schrieb die Tageszeitung »Gazeta Wyborcza«. Schließlich hätten die Regierenden – eifersüchtig auf jene NATO-Länder, in denen es schon USA-Basen gibt – eine einmalige Gelegenheit gesehen, mit Washington »nicht nur durch Garantien auf dem Papier, sondern über ein reales Militärbündnis verbunden zu sein«, wie der Politologe Bronislaw Lagowski in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitschrift »Przeglad« erklärte. Das Hauptproblem der polnischen Politiker bestehe in der Frage, was zu tun sei, damit die USA für immer Russland in der Rolle des »großen Bruders« ersetzen. Bereits 1999 hatte der damalige Außenminister Bronislaw Geremek im Sejm Polens Ziel so definiert, dass »wir unsere Außenpolitik stärker mit der amerikanischen Politik verbinden wollen«.

Doch längst bleibt das nicht ohne Kritik. »Seien wir doch nicht Söldner der USA« lautete jetzt die Überschrift einer Buchrezension von Miroslaw Czech in der »Gazeta Wyborcza«. Roman Kuzniar, Leiter des Instituts für Strategische Studien an der Universität Warschau, hat Polens Außenpolitik analysiert und kommt zu dem Schluss, dass »die Normalität in der Außenpolitik für die polnische politische Klasse inakzeptabel« sei. Kämpften doch polnische Soldaten in »Hegemonialkriegen« der USA. Man müsse sich jedoch vor allem in Europa engagieren, denn Polens Grundinteressen seien aufs engste mit der EU verbunden.

Kuzniars Meinung, man solle in Afghanistan die Taliban zu einem Gespräch einladen, statt nur auf sie zu schießen, schloss sich der Militärexperte General Stanislaw Koziej an. Eine »Afghanisierung Afghanistans« sei absolut notwendig. Nicht auf eine Korrektur der bisherigen Strategie, sondern auf eine strategische Änderung komme es jetzt an. Zum zehnten Jahrestag der polnischen NATO-Zugehörigkeit befragt, wies Aleksander Kwasniewski in einem Interview am Mittwoch veröffentlichten Interview darauf hin, dass die Lage am Hindukusch tatsächlich eine Krise der NATO widerspiegele. Eine Niederlage dort würde das Ende des Bündnisses bedeuten.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal