Der Unterschied zwischen Qimonda und Infineon

Dresdner Chiphersteller warten auf Freistellung im April – doch die Hoffnung stirbt zuletzt

  • Ralf Richter
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zeit läuft ihnen langsam weg, den Qimondianern. Trotzdem ist die Mahnwache an der Haltestelle Infineon Süd im Dresdner Norden sichtlich kein Ort, wo man seiner Wut oder seinem Herzen Luft macht. Nein, die Dresdner fahren nicht solidarisch hupend an der nunmehr fünften Mahnwache vorbei. Kein Schild macht auf die Situation aufmerksam: »Hier verschwinden bald 3000 Arbeitsplätze! Mahnwache Qimonda«. Nein, so einen richtig ängstlichen oder wütenden Eindruck machen die in Grüppchen zusammenstehenden und in leise Gespräche vertieften Leute nicht. Von der Straße her sieht man sie kaum, nur eine einsame Tonne mit brennenden Holzscheiten nebelt vor sich hin. Eine fast zwei Meter hohe Klappwand mit den Firmenlogos von Infineon und Qimonda gibt der Mahnwache Windschutz und macht sie für die Vorbeifahrenden so gut wie unsichtbar.

Die Qimondianer sind also ganz bei sich selbst und von der Außenwelt abgeschottet. Diese Passivität erstaunt. Zumal ein Drittel der Beschäftigten seit Januar, als der Insolvenzantrag gestellt wurde, weniger Geld bekommt. Das sind allerdings die Gutverdiener, und von denen gibt es viele hier im Werk, wo die Hälfte Hoch- und Fachhochschulabsolventen sind. Es wird dann eben anderswo weitergehen, glaubt man. Im Westen halt irgendwo.

Die letzte Märzwoche – also die vom 23. bis 29. März – wird die entscheidende, denkt der Betriebsratsvorsitzende Martin Welzel. Eine Demo soll es bis dahin noch geben, selbst die Zeit der »Mittwochs-Mahnwachen« wird knapp. Am 1. April ist es dann soweit sein, dass viele Qimonda-Beschäftigte von der Arbeit freigestellt werden.

Hinter den Kulissen führen die Arbeitnehmervertreter Gespräche mit allen möglichen Politikern – es fallen insbesondere bekannte Namen von CDU- und FDP-Abgeordneten, die im Land- oder Bundestag sitzen.

Was soll werden mit dem Werk, das den kleinsten Chip herstellt, mit dem eine gewaltige Stromeinsparung möglich ist? »Doch, an der Technologie haben gewiss schon viele Interesse«, bekräftigt Welzel und berührt damit wohl den entscheidenden Punkt: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Technologie die Qimondianer überleben wird.

Von den 3500 Beschäftigten vom letzten Jahr sind noch 2900 übrig. 100 gingen seit der Insolvenzanmeldung. Tritt der schlimmste Fall ein, so weiß man hier, wird auch Infineon stark in Mitleidenschaft gezogen, denn die Produktionskosten werden für das mit Qimonda eng verflochtene Infineon-Werk in Dresden stark steigen, wo schon jetzt viele kurzarbeiten.

Böse Zungen im Werk unken: Was ist der Unterschied zwischen Qimonda und Infineon? Sechs Monate oder höchstens ein Jahr! Das weiß man auch bei Infineon und demonstriert mit den Leuten von Qimonda.

In diesem März ziehen dunkle Wolken über dem Industriegelände im Dresdner Norden auf und so, wie es aussieht, werden sie dort noch eine ganze Weile hängen bleiben. Es geht hier längst nicht mehr nur um Qimonda – es geht um den Hightech-Standort im Dresdner Norden überhaupt und wer Qimonda abschreibt, der schreibt mehr ab als 3000 Arbeitsplätze. Doch die Hoffnung stirbt immer zuletzt. »Alles ist noch möglich«, hofft Welzel.


Brüsseler Signale

Dresden (dpa/ND). Für die Qimonda-Rettung hat die EU Hilfe signalisiert. Brüssel werde einen Antrag auf beihilferechtliche Genehmigung einer Rettungs- oder Umstrukturierungshilfe sehr kurzfristig prüfen, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Freitag nach einem Treffen mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, in Brüssel. Jedoch müsse ein privater Investor gefunden werden, betonte er.

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