nd-aktuell.de / 14.03.2009 / Politik / Seite 5

Spiele morden nicht

Oliver Händler

Millionen Menschen spielen Killerspiele, Ego-Shooter oder wie sie auch immer genannt werden. Der Mausklick macht keinen von ihnen zum Mörder. Auch das Argument, dass diese Spiele die Hemmschwelle derart absenken, dass sie einen Amoklauf begünstigen, ist nicht bewiesen.

Es reicht bereits der Blick auf die Turniere, bei denen tausende Jugendliche in Turnhallen gepfercht zwei Tage lang Gegner per Tastatur töten. Das tun sie bei nur vier Stunden Schlaf und Junkfood. Keiner von ihnen, so frustriert er durch eventuelle Niederlagen auch sei, hat jemals direkt nach dieser Extrembelastung mit einer echten Waffe auf echte Menschen geschossen. Die Jugendlichen kennen selbst dann noch den Unterschied zwischen Realität und Cyberspace.

Den kannte auch Tim K., als er in seine ehemalige Schule stürmte. Einige Menschen, die er niederschoss, kannte er – im Gegenteil zu denen, die er online umbrachte. Psychologen bestätigen, dass es viel schwieriger ist, einen Menschen zu töten, den man kennt, der einen Namen und ein Gesicht hat.

Blut und Mord in Spielen sind wie Blut und Mord in Filmen, die auch nicht alle verboten werden. Sicher besteht ein Unterschied zwischen dem Wesen des Zuschauers und des Akteurs. Dieser ist jedoch viel kleiner als der zwischen dem Online-Schützen und dem realen Amokläufer. Die Täter von Erfurt, Emsdetten und Winnenden waren keine Online-Verlierer. Sie hatten Probleme in der realen Welt und wollten sie dort auf ihre Art lösen. Dass sie auch Ego-Shooter spielten, ist statistisch nur wahrscheinlich, weil das die Mehrheit der jungen Männer heutzutage tut.

Einige Spiele sähe auch ich gern auf dem Index, doch das Ziehen der richtigen Grenze zwischen dem Schutz der Gesellschaft und der Freiheit, sich seine eigene Unterhaltung auszusuchen, traue ich niemandem zu.