• Politik
  • Präsidentschaftswahlen in El Salvador: Kandidat der ehemaligen Guerilla FMLN aussichtsreich

»Wir sind der Wechsel«

Erstmals könnte die Linke die Macht in dem mittelamerikanischen Land übernehmen

  • Michael Krämer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei den Präsidentenwahlen am Sonntag wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kandidaten der rechten Regierungspartei ARENA und der früheren Guerilla FMLN erwartet. Ein Wahlbetrug ist nicht ausgeschlossen.

Große Spannung herrscht in El Salvador. Erstmals seit Ende des Bürgerkriegs 1992 hat die linke FMLN – hervorgegangen aus der Befreiungsfront Farabundo Marti – eine reale Chance, die Präsidentschaftswahlen für sich zu entscheiden. »Wir sind der Wechsel«, erklärte FMLN-Kandidat Mauricio Funes vor wenigen Tagen in der Hauptstadt San Salvador vor etwa 250 000 begeisterten Anhängern. Es war die größte Wahlkampfveranstaltung in der Geschichte El Salvadors.

Allerdings ist der Vorsprung für Funes in den meisten Umfragen zuletzt deutlich geschrumpft. Der ehemalige Polizeichef Rodrigo Ávila, der für die regierende ARENA-Partei antritt, hat seit den Parlaments- und Kommunalwahlen im Januar zugelegt. Wichtige Ursachen sind der millionenschwere Wahlkampf von ARENA und die Unterstützung durch die verschiedensten staatlichen Institutionen und Ministerien für Avilas Bewerbung. Eine Einmischung in den Wahlkampf, die auch vom Leiter der Wahlbeobachterdelegation der Europäischen Union, Luis Yáñez-Barnuevo, stark kritisiert wurde.

Überdies gelang es ARENA schon bald nach dem Wahlgang im Januar, ein Bündnis mit den beiden anderen, kleineren Rechtsparteien abzuschließen. Nach intensiven Verhandlungen über den politischen Preis für die ARENA-Unterstützung haben die Partei der Nationalen Versöhnung (PCN) und die christdemokratische PDC sogar ihre eigenen Präsidentschaftskandidaten zurückgezogen. Seither gilt zum Beispiel als gesichert, dass die PCN erneut den Parlamentsvorsitz und den demnächst neu zu bestimmenden Vorsitz des Obersten Rechnungshofes bekommen wird.

Ein kleiner Schönheitsfehler im rechten Gemauschel und Postengeschacher passierte, als sich das PCN-Gespann für Präsidenten- und Vizepräsidentenamt weigerte, seine Kandidatur zurückzuziehen. Erst der Parteiausschluss durch Parteichef Cruz Zepeda machte ihren Ambitionen ein Ende, da in El Salvador bei Präsidentschaftswahlen nur Parteimitglieder kandidieren dürfen.

Mauricio Funes jedenfalls wusste den Streit innerhalb der Rechten zu nutzen. Bei der FMLN-Abschlussveranstaltung rief Tomás Chévez, der ausgebootete Präsidentschaftskandidat der PCN, zur Wahl des FMLN-Kandidaten auf. Auch wenn Chévez innerhalb der PCN nur über geringen Einflusls verfügt, könnte er als Pastor der einflussreichen Elim-Kirche einige Vorbehalte in der evangelikalen Wählerschaft abbauen.

Gepunktet hat Funes auch mit der Vorstellung seines Regierungsteams, in dem gleich mehrere sehr erfahrene Persönlichkeiten vertreten sind, die längst nicht alle aus der FMLN kommen. Ein Beispiel ist Héctor Dada Hirezi, Chef der kleinen Mitte-Links-Partei CD, der Außenminister werden könnte – ein Amt, das er als Christdemokrat bereits 1979/80 für einige Monate innehatte. Dada Hirezi und andere stehen für eine Öffnung der FMLN zur Mitte, wo die wahlentscheidenden Stimmen zu holen sein dürften.

Allgemein wird am Sonntag mit einem sehr knappen Wahlausgang gerechnet. Seit Tagen warnen Mauricio Funes und die FMLN vor einem Wahlbetrug. Ein Vorwurf: Zahlreiche Busse würden schon jetzt Menschen aus den Nachbarländern Guatemala, Honduras und Nicaragua nach El Salvador bringen, wo sie mit falschen Personalausweisen ausgestattet würden. Eine Praxis, die bereits bei den Wahlen im Januar beobachtet wurde. Unklar ist allerdings, wie massiv dieser Stimmenkauf sein wird. Bei dem erwartet knappen Ergebnis könnten allerdings schon wenige Tausend Stimmen wahlentscheidend sein. 80 000 Wahlhelfer hat die FMLN für Sonntag mobilisiert, die »jede einzelne Stimme verteidigen« sollen.

Auch der schmutzige Wahlkampf von ARENA und Regierung geht bis zum letzten Moment weiter. Keine Lüge scheint unmöglich. So erklärte Generalstaatsanwalt Félix Garrid Safie zu Wochenbeginn medienwirksam, er habe Ermittlungen aufgenommen, weil auf einem Privatkonto Mauricio Funes' in den vergangenen Monaten über zwei Millionen US-Dollar unbekannter Herkunft eingegangen seien. Präsident Antonio Saca setzte nach und erklärte, dieses Geld stamme vermutlich von Hugo Chávez aus Venezuela. Umgehend präsentierte Funes Belege dafür, dass es sich bei den Summen um ein privates Darlehen eines bekannten Unternehmers für den Wahlkampf handelt – und kündigte an, den Präsidenten, wegen Falschaussage zu verklagen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal