Wenn Pferde nicht saufen ...

  • Gerhard Armanski
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Sozialwissenschaftler lehrt an der Universität Osnabrück.
Der Sozialwissenschaftler lehrt an der Universität Osnabrück.

Wenn die Pferde nicht saufen, sagte mein Großvater, liegt’s am Futter, und schüttete eine Extraportion Hafer in den Sack. Die ach so beredten »Wirtschaftsweisen« sind hingegen kleinlaut geworden, nachdem sie nicht müde geworden waren, landauf landab zu verkünden, in »günstigen Bedingungen für die Privatwirtschaft« liege der Schlüssel des Wirtschaftswachstums. Also: Möglichst niedrige Lohn- und Nebenkosten, damit der Karren nicht überladen werde.

Die Rosaschleier des spekulierenden fiktiven Kapitals haben sich nach einer 1000-fachen (!) Überdehnung des normalen Kreditvolumens der »Realwirtschaft« in nichts bzw. die Bankenkrise aufgelöst. Die schlägt zurück auf die Realwirtschaft, und ein Ende ist nicht abzusehen. Deren Konjunktur der letzten Jahre beruhte ohnehin auf einer sozialen Schieflage: Sie stützte sich auf einen gewaltigen Exportüberhang und den Konsum hoher Einkommen, während die Reallöhne und Sozialtransfers stagnierten. Es ist die relative, nicht die absolute gesellschaftliche Konsumtionsfähigkeit, welche die Nachfrage bestimmt. Diese Ungleichgewichte toben sich in der Krise aus, die eine neue Balance herzustellen bestrebt ist.

Nun tritt der »Staat der Banken« (ver.di) auf den Plan. Was er seit 20 Jahren verpönte, betreibt er plötzlich im Übermaß: die keynesianische Stützung der Produktion vor allem von Investitions- und Sozialgütern, die riesigen Summen für die bankrotten Kreditinstitute sowie mäßige Steuersenkungen (für einen Facharbeiter ca. 500 Euro im Jahr) nicht gerechnet. Dieser Anschub in der Realisierung der Warenwerte soll die Kapitalmaschine wieder zum Laufen bringen (siehe Verschrottungsprämie). Dabei wird nur der gewaltige Pferdefuß übersehen, und auch die bürgerliche Presse mit ihren Scheuklappen kann ihn nicht finden. Er besteht darin, dass die Schwemme überschüssigen Warenkapitals auch durch noch so große Staatsnachfrage nicht aufgesaugt werden kann.

Um Profit zu erzielen, müssen günstige Verwertungsbedingungen des Kapitals herrschen, hat der Kostenanteil der lebendigen Arbeit zu sinken, ihre Produktivität hingegen durch eine soziale und technische Umwälzung der Produktion zu steigen. Das ist schon eine ganze Weile so – selbst bei flotter Konjunktur! Nicht umsonst sind die Meldungen über »Verschlankungen« von Belegschaften, sprich: Entlassungen, alltäglich geworden. Es geht um die (erneute) Steigerung der Rendite auf Teufel komm raus. Diese kann nur bedingt und zeitweise durch die Profitmasse ausgeglichen werden, an der die »Konjunkturpakete« ansetzen.

Hinter dem Vorfilm läuft die Hauptvorstellung. Die Unternehmen setzen vermittels der Finanz- und Realkrise, der Auf- und Abschwünge der Konjunktur neue profitablere Produktionsbedingungen für die nächste Runde im Kampf um den Weltmarkt durch – und bereiten damit die nächste Entwertungskrise vor. Das Pferd säuft eben nur, wenn es was davon hat.

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