Die alte, neue Heimat

Ausstellung zur Geschichte der Deutschen aus Russland eröffnet / Räume für ein Museum gesucht

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Raimund Zander und Viktor Fromm gucken in die historische Stube.
Raimund Zander und Viktor Fromm gucken in die historische Stube.

Das Suchen und Sammeln, das Recherchieren und Gesprächeführen geht weiter. Denn »Das gebrochene Schweigen«, die Wanderausstellung zur Geschichte der Deutschen aus Russland, ist längst nicht vollständig. Vieles wurde zu diesem Thema zwar in den vergangenen Jahren unter Leitung von Viktor Fromm, den Vorsitzenden des Vereins Lyra zusammen getragen, doch es gebe noch reichlich hinzuzufügen, betont der 62-Jährige. Er sucht vor allem historische Dokumente, alte Papiere und Urkunden der Vorfahren. Ein schwieriges Unterfangen. Aus eigener Erfahrung weiß der promovierte Ingenieur, der 1992 nach Deutschland kam, dass es beispielsweise kaum noch Materialien aus der Zeit der Straflager Sibiriens, zwischen 1942 und 1946 gibt

In der interessanten Ausstellung, die seit gestern in Marzahn-Hellersdorf, im Migrationszentrum des Caritasverbandes gezeigt wird, wurde nach Auskunft von Fromm, erstmals ein Straf- und Arbeitslager im Modell nachgebaut: Mit Stacheldrahtzaun und Erdhügel-Unterkünften, in denen jeweils bis zu 100 Deutsch-Russen untergebracht waren. »Gefertigt wurde es nach Erzählungen und Hand-Skizzen ehemaliger Insassen, denn Fotos konnten wir nicht finden«, berichtet Fromm.

Er hatte vor drei Jahren die Idee, so eine Ausstellung über Aussiedler zu gestalten. In Gesprächen stellte er immer wieder fest, dass gerade junge Leute nichts oder kaum etwas über ihre Vorfahren und Herkunft wissen. »Integration kann aber nur gelingen, wenn die Deutschen aus Russland ihre Geschichte kennen und auch die Einheimischen sich damit auseinander setzen«, ist Viktor Fromm überzeugt.

Er selbst habe sich immer als Deutscher gefühlt, weil er so erzogen wurde. Zuhause, an der Wolga, wurde deutsch gesprochen, erzählt er. Als er in den 90er Jahren mit seiner Familie nach Berlin kam, erfüllte sich ein Lebenstraum. Bereut habe er diesen Schritt niemals und er betont, nicht aus ökonomischen Gründen in die alte, neue Heimat gekommen zu sein.

Rund 25 000 Aussiedler leben inzwischen in Marzahn-Hellersdorf. Seit 1950 kamen mehr als zwei Millionen Deutsch-Russen nach Deutschland, wie eine Tafel in der Ausstellung verdeutlicht. Die meisten jungen Leute hätten sich mittlerweile gut integriert. Schwerer falle es den Älteren, weil besonders viele eben ohne Job seien.

Die Wanderausstellung, die bereits vor zwei Jahren in Lichtenberg gezeigt wurde, sei ein Anfang der Geschichtsaufarbeitung, sagt der Vereinsvorsitzende. Denn nach wie vor ist er auf der Suche nach »festen Räumen«. Und er hofft, dass sich sein Traum von einem Museum der Deutschen aus Russland bald erfüllt. Die Vitrinen mit Gegenständen aus dem Alltag, die Trachtenpuppen, die vielen Tafeln mit Fotos und Fakten aus der Zeit zwischen 1763 und heute sowie das Modell eines Holzhauses sollen dann auch dort zu sehen sein.

»Das gebrochene Schweigen«, Borkheidestraße 30, 12689 Berlin, Tel.: 66 63 36 72. Bis 8.April: Mo., 14-16 Uhr (Führungen), Di., 12 -15 Uhr, Mi., 13-17 Uhr, und Do. 10-13 Uhr.

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