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Globalisierung auch in den Kommunen

Buch von Werner Heinz kritisiert »Verbetriebswirtschaftlichung« des Denkens

  • Detlef Kolze
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer heute über Kommunalpolitik nachdenken will, kommt schon längst nicht mehr ohne die Globalisierung aus. Allzu dramatisch schlägt das Weltmarktsystem auf die Vor-Ort-Einrichtungen menschlichen Zusammenlebens durch und beschränkt nicht nur Handlungsspielräume, sondern zwingt die lokalen Akteure zum Bedienen mächtiger Interessen. Werner Heinz schrieb dazu ein klärendes Buch.

»Der große Umbruch. Deutsche Städte und Globalisierung« heißt das gut 350 Seiten starke Werk, das vom Deutschen Institut für Urbanistik herausgegeben wurde. Der Autor geht systematisch vor und stellt akribisch die Grundzüge und Wirkungsweisen der neoliberalen Globalisierung zusammen. Irgendwelche addierten Überlegungen aus dem Blickwinkel des heutigen politischen und wissenschaftlichen Mainstreams führen nur weiter in die Sackgasse, macht Werner Heinz klar.

Daher lässt er bei der Auswahl seiner Empfehlungen für eine veränderte Kommunalpolitik keinen Zweifel daran, dass es ihm nicht nicht um »Neutralität und Ausgewogenheit« geht. Folglich setzt er auf Ziele, mit deren Hilfe die überdeutlichen negativen Folgen des neoliberal gestempelten Weltsystems bekämpft werden können.

Im Kern kritisiert Heinz die rasante Unterwerfung auch der Kommunalpolitik unter die Verwertungsinteressen des Kapitals, die eine tief greifende Transformation des kommunalen Handlungsfeldes erzeugt hat. Insbesondere die Zunahme ökonomischer, sozialer und räumlicher Spaltungen in den Städten erreicht Ausmaße, die dringend der Korrektur bedürfen, resümiert Heinz auf der Basis von Expertengesprächen.

Weil »bloße Symptomkorrekturen und Programmmodifikationen« unzureichend sind, geht es Heinz klipp und klar um einen »Richtungswechsel von der vorrangigen Angebots- und Wettbewerbsorientierung zu einer verstärkten Ausrichtung an den konkreten Bedürfnissen und sozialen Belangen aller städtischen Bewohnerinnen und Bewohner«.

Diese Orientierung impliziert heftige Kritik an den »Wirtschaftsförderungs- und Stadtentwicklungspolitiken«, weil sich die Hoffnungen auf verbesserte Lebensbedingungen in der Stadt meist als Illusion erweisen. »Zur Erreichung des Ziels der langfristig wirtschaftlich attraktiven Stadt ist eine Priorisierung von Markt und Wettbewerb letzten Endes kontraproduktiv«, stellt Heinz fest.

So bleiben soziale Einsprengsel – wie kommunale Kinder- oder Arbeitsmarktpolitik – Stückwerk, wenn sie nicht Teil einer Gesamtstrategie sind. »Kommunale Entwicklungskonzepte sollten nicht additiv, sondern integrativ aufgebaut sein«, schreibt Heinz und erinnert an Oskar Negts Forderung nach einer »Ökonomie des gesamten Hauses« für die kommunale Entwicklungsplanung.

Kritisch beleuchtet werden in Mode gekommene kommunalpolitische Felder. Beispiele dafür sind die Event- und Leuchtturm-Politik oder die Verschlankung und Teilprivatisierung der öffentlichen Verwaltung. Letzteres charakterisiert er als Teil der »Verbetriebswirtschaftlichung« des Denkens.

Auf dem Weg zu einer kommunalen Gesamtschau dokumentiert Heinz seine Materialien und Gesprächsnotizen stichwortartig. Das hat den Nachteil, dass man sich zeitweise durch eine Vielzahl von Hinweisen »hindurchlesen« muss. Es hat aber den Vorteil, dass die unterschiedlichen Argumentationsebenen ständig miteinander verknüpft werden. Das sorgt für Anregungen in der Spanne zwischen Nachdenken und konkretem Handeln. Ein sehr empfehlenswertes Buch.

Werner Heinz: Der große Umbruch. Deutsche Städte und Globalisierung. Edition Difu – Stadt, Forschung, Band 6, 2008, 31 Euro.

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