nd-aktuell.de / 17.03.2009 / Politik / Seite 8

Ist Südafrika reif für Neues?

Phillip Dexter tritt mit COPE gegen den traditionsreichen ANC an

Nach fulminantem Start bei der Gründung im Dezember 2008 ist Südafrikas jüngste Partei, der Kongress des Volkes (COPE), im politischen Alltag angekommen. Sie will die Dominanz des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) brechen, fuhr jedoch bisher bei Nachwahlen nur mäßige Resultate ein. Ein führendes Meinungsforschungsinstitut billigt ihr bei den Wahlen am 22. April 8 bis 12 Prozent zu. Mit Phillip Dexter, Sprecher der COPE und vormals Führungsmitglied des ANC und der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP), sprach Hans-Georg Schleicher.

ND: In welcher Tradition sieht sich COPE angesichts der Tatsache, dass die fast 100-jährige Geschichte des ANC die Führungsrolle im Befreiungskampf Südafrikas einschloss?
Dexter: Wir sprechen dem ANC das historische Monopol für den Befreiungskampf Südafrikas ab. Natürlich verkörpert er Werte und Traditionen der Befreiungsbewegung. In der Auseinandersetzung darum kam es schließlich zu seiner Spaltung. Aber der Befreiungskampf gehört nicht einer Organisation allein, er gehört dem Volk. Auch wir als Kongress des Volkes sehen uns in der Tradition der Befreiungsbewegung und solcher Führer wie Oliver Tambo und Albert Luthuli (ehemalige ANC-Führer – d.R.).

Sie sprechen ausdrücklich von einer Spaltung des ANC?
Die Spaltung geht quer durch den ANC. Ich habe eine solche Spaltung vorausgesagt, beginnend in der SACP, verursacht durch einen dogmatischen, fundamentalistischen Marxismus, der zur Verhärtung von Positionen führte. Das ermöglichte Opportunisten, die Bewegung in ihrem Interesse zu manipulieren. Die Spaltung im ANC ist nicht die Abspaltung einer organisierten Fraktion, sondern ein organischer Prozess. Wir haben diese Situation genutzt, um zu sagen: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, auch andere progressive Kräfte anzusprechen, die schon lange Probleme mit dem ANC hatten, aus politischen oder historischen Gründen.

Es heißt, COPE strebe das »Profil einer modernen sozialdemokratischen Partei ohne ideologische Bindungen und Belastungen« an.
Das kann ich bestätigen, würde allerdings nicht sagen »ohne ideologische Bindungen«. COPE ist definitiv sozialdemokratisch, definitiv links von der Mitte, ein Versuch, Politik neu zu gestalten. Der ANC wurde Opfer seiner eigenen Erfolge. Er weckte Erwartungen, die nicht erfüllt werden konnten. Die Organisation reagierte nicht, verkündete nur alte dogmatische Losungen. Die Zeit war reif für etwas Neues, Frisches.

Behauptet wird, COPE sei vor allem durch frustrierte ehemalige ANC-Funktionäre nach der Ablösung Präsident Mbekis geschaffen worden.
Das ist eine starke Vereinfachung. Die Ablösung Thabo Mbekis brachte das Fass zum Überlaufen, war aber nicht entscheidend. Es gab Auseinandersetzungen in der SACP, im ANC und in der Gewerkschaft COSATU – heftige ideologische Debatten über die Wirtschaftspolitik und die Haltung der Regierung zu HIV/Aids. Alles kam zusammen: die Nominierung Jacob Zumas zum Führer des ANC, die politische Kultur der ANC-Jugendliga und der jungen Kommunisten, die Bestrafung von ANC-Funktionären, die nicht loyal zu Zuma waren. Ich glaube, viele wären im ANC geblieben, wenn es dort Toleranz, Demokratie, freie Diskussion gegeben hätte.

Gegner bezeichnen COPE als Unternehmer-Partei, die sich gegen Forderungen nach stabilen Arbeitsplätzen und höheren Löhnen stelle.
Das ist billige Politik. Wir selbst fordern im Wahlmanifest stabile Arbeitsplätze und unterstützen das Recht auf gewerkschaftliche Organisation. Aber COPE-Mitglieder werden aus der Gewerkschaft vertrieben. Das geht gegen die Einheit der Arbeiter. Große Unternehmen unterstützen den ANC, nicht uns. Ja, COPE findet Anklang bei Vertretern der Mittelschichten, wie das beim ANC nicht der Fall ist. Aber das bedeutet nicht, dass wir nicht bei der Arbeiterklasse ankommen. Wir greifen zurück auf Werte der Befreiungsbewegung. Der ANC orientiert sich dagegen auf Menschen, die ihre persönliche Bereicherung verfolgen.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Wahlprogramme von ANC und COPE gar nicht so sehr. Wo sehen Sie die Unterschiede?
Wichtige Unterschiede gibt es vor allem bei der Verteidigung der Demokratie, der Verfassung und der Gesetzlichkeit. Die werden derzeit systematisch unterwandert. Im öffentlichen Dienst fordern wir professionelle und effiziente Leistung. Dort hat der ANC versagt. An der Wirtschaftspolitik gab es über Jahre heftige Kritik aus der Dreierallianz von ANC, SACP und COSATU. Jetzt wird diese Politik plötzlich unterstützt. In der Entwicklungsstrategie scheiterte der ANC: bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Unternehmensentwicklung, der umfassenden Einbeziehung der Menschen in die Wirtschaft.

COPE wird vorgeworfen, die bewusste Förderung bisher benachteiligter Bevölkerungsgruppen im Personalbereich und in der Wirtschaft in Frage zu stellen.
Wir wollen diese Instrumente effizienter machen. ANC-Vertreter geben zu, dass nicht die erwarteten Ergebnisse erzielt wurden. Wir brauchen diese Instrumente, sie müssen aber korrekt angewandt werden. Nicht durch die Ernennung politischer Anhänger oder die Bereicherung weniger schwarzer Unternehmer.

Welche Wahlergebnisse erwarten Sie für Ihre Partei?
Wir wollen die Wahlen gewinnen. Ja, bei den letzten Wahlen hat der ANC stets zugelegt, aber die Beteiligung ging zurück. Derzeit konstatieren wir ein verstärktes Wahlinteresse. Das hat mit dem Phänomen COPE zu tun, zeigt aber auch das Interesse junger Menschen an der Zukunft des Landes. Davon können wir profitieren.

Warum hat sich COPE für den wenig prominenten Präsidentschaftskandidaten Mvume Dandala entschieden? Was ist mit Ihren politischen Schwergewichten Mosiuoa Lekota und Mbhazima Shilowa? Es wird über Machtkämpfe in der Partei spekuliert.
Ich würde nicht von Machtkämpfen sprechen, wir haben demokratisch entschieden. Wir wollten auch andere Menschen in die aktive Politik bringen. Unser Kandidat kann eine integrative Rolle spielen.

Als Sie 2008 aus der SACP austraten, unterstrichen Sie, dass Sie deren Zielen und den sozialistischen Idealen treu bleiben wollen. Wie wollen Sie diese Absicht in COPE verwirklichen?
Derzeit liegt unser Schwerpunkt auf guter Regierungsführung und Demokratie, aber gewiss gibt es eine sozialdemokratische Perspektive. Ich persönlich möchte, dass unser Land sich vom zügellosen Kapitalismus zu einer entwicklungsorientierten Gesellschaft bewegt, die sich auf Werte der sozialistischen Bewegung stützt. Es gibt jedoch keine einfachen Antworten.